Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
Vom Netzwerk:
reibungslos. Fanny tanzte mit einem französischen Offizier, Louisa war wieder Mr. Martells Partnerin. Doch Fanny gab sich Mühe, die beiden nicht anzusehen. Mr. Gilpin schlug sich sehr wacker am Klavier. Aber dann kam es zum großen Eklat.
    Die beiden Geiger waren nämlich zu der Ansicht gelangt, dass sie ihre musikalischen Fertigkeiten noch nicht zur Genüge dargeboten hatten. Außerdem glaubten sie offenbar, dass Mr. Gilpin Begleitung nötig hatte. Deshalb drang den Tanzenden plötzlich das Schnarren von Saiten an die Ohren. Selbst das hätte man hinnehmen können, denn Mr. Gilpin ließ sich davon nicht aus der Ruhe bringen. Allerdings gelangten die Geiger zu guter Letzt zu der Erkenntnis, dass Begleitung allein nicht genügte. Und so wurde das Geigenspiel immer lauter und lauter und steigerte sich zu einem ohrenbetäubenden Getöse. Leider jedoch handelte es sich nicht um dieselbe Melodie, die der Vikar von Boldre angestimmt hatte, sondern um einen Ländler. Die Tanzenden blieben stehen. Auch Mr. Gilpin hielt mit finsterer Miene inne.
    Mr. Grockleton trat vor und versuchte, den Geigern ins Gewissen zu reden, aber die spielten ungerührt weiter. Als er ihnen in den Arm fallen wollte, bekam er mit der Geige einen Schlag auf den Kopf. Mr. Grockleton erbleichte vor Wut, packte einen der Übeltäter und wollte ihn von der Bühne zerren. Doch der andere griff nach seinem Krug, entleerte ihn über den Zollinspektor und prügelte dann mit dem Bogen auf den Gastgeber ein. Womöglich hätte er ihn gar verletzt, hätte er nicht plötzlich Mrs. Grockletons Fingernägel in seinem Fleisch gespürt. Die Gründerin der Akademie zog ihn am Ohr aus dem Saal, vorbei an einem grinsenden Isaac Seagull und den Topfpflanzen, und verfrachtete ihn an die frische Luft.
    Die guten Bürger von Lymington klatschten kichernd in die Hände und lachten Tränen, was vermutlich, da es ohnehin nicht gelungen war, die Form zu wahren, das Beste war. Mr. Gilpin, inzwischen reichlich verärgert, doch noch immer fest entschlossen, den Abend zu retten, wartete geduldig einige Minuten und fuhr dann tapfer mit dem Menuett fort. Die Gäste taten ihm den Gefallen und brachten den Tanz zu Ende. Als die Grockletons zurückkamen, herrschte noch überall Gekicher, sodass es den guten Vikar einige Beherrschung kostete, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
    Aber der Kirchenmann legte sich mächtig ins Zeug. »Meine Damen und Herren«, verkündete er und trat in die Mitte des Saals. »In den Tagen des alten Roms war es Sitte, einem siegreichen General einen triumphalen Empfang zu bereiten. Und sicher stimmen Sie mir zu, dass auch unsere freundlichen Gastgeber einen solchen Empfang verdient haben, denn sie haben die Barbaren von unseren Pforten vertrieben. «
    Die Gäste trampelten mit den Füßen und riefen: »Hört, hört!« Dann wurde wieder Beifall geklatscht. Fanny vernahm neben sich eine Stimme, die sie als die von Mr. Martell erkannte. »Gut gemacht, Sir«, murmelte er.
    »Und nun stehe ich für den letzten Tanz zu Ihrer Verfügung«, erklärte der Reverend. »Mrs. Grockleton, was soll ich spielen?«
    Es wäre falsch gewesen zu behaupten, dass plötzlich Schweigen im Raum herrschte. Überall wurde hinter vorgehaltener Hand, dem Rücken anderer Leute oder Taschentüchern und Fächern getuschelt. Und Mrs. Grockleton hörte das sehr wohl. Also lächelte sie tapfer und erwiderte: »Einen Ländler bitte.«
    Offenbar hatten alle Lust zu tanzen. Die französischen Adeligen, die Kohlenhändler, der Arzt und die Anwälte. Fanny glaubte sogar zu sehen, wie Mr. Isaac Seagull das Tanzbein schwang. Mr. Gilpin stimmte ein Lied an, offenbar in der Absicht, dass sich alle zum Abschluss noch einmal richtig amüsierten.
    Nur Fanny tanzte nicht. Sie stand abseits und war mit der Rolle einer unbemerkten Beobachterin zufrieden. Martell konnte sie nirgendwo entdecken. Louisa tanzte mit einem jungen Franzosen. Fanny runzelte die Stirn. Und dann dämmerte es ihr. Da sie kurz vor dem Tanz hinter sich seine Stimme gehört hatte, hatte er sich offenbar nicht von der Stelle gerührt. Sie wagte nicht, sich umzublicken, denn sie wollte verhindern, dass er sie abermals aufforderte. Doch was tat er da hinter ihr? Wollte er sie gleich ansprechen? Warum sollte sie mit ihm reden, wo er doch ein Penruddock war? Sie wünschte, er würde endlich verschwinden.
    Inzwischen tat sich etwas auf der Tanzfläche. Ein paar junge Mädchen hatten sich wie ein Schwarm Bienen um Louisa geschart, und diese

Weitere Kostenlose Bücher