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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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war, ihr dieses Abenteuer zu verschweigen. Stattdessen hatte sie sich eine Geschichte von einem Freund im Wald zurechtgelegt, der in Schwierigkeiten steckte und sie um Hilfe gebeten habe. Sie hatte sogar den widerstrebenden Pride dazu überredet, das Märchen wenn nötig zu bestätigen. Adela bildete sich ein, den wahren Grund ihres Abstechers ausgezeichnet getarnt zu haben.
    Sie fiel aus allen Wolken, als die Witwe ihren Bericht mit einer Handbewegung unterbrach. »Es tut mir Leid, Adela, doch ich möchte es gar nicht hören.« Ihre Miene war ruhig, aber kühl. »Ich bin nur erleichtert, dass Euch nichts zugestoßen ist. Am liebsten hätte ich jemanden losgeschickt, um Euch zu suchen; allerdings habt Ihr mir nicht hinterlassen, wohin Ihr aufgebrochen wart.«
    »Das war überflüssig. Schließlich habe ich geschrieben, dass ich bald zurück bin.«
    »Ich trage die Verantwortung für Euch, Adela. Es war unverzeihlich, dass Ihr Euch so einfach aus dem Staub gemacht habt. Wie dem auch sei«, fuhr sie fort. »Ihr müsst gehen. Ich kann Euch nicht mehr im Haus behalten. Ich bedaure es, weil es so kurz vor Ostern ist.« An Ostern würde der König mit seinem Gefolge in der Stadt weilen, eine wunderbare Gelegenheit, einen Ehemann zu finden. »Aber ich kann nicht länger die Verantwortung für Euch übernehmen. Ihr werdet zu Eurem Vetter Walter zurückkehren müssen.«
    »Er ist doch in der Normandie.«
    »Der Schatzmeister will in einigen Tagen einen Boten in die Normandie schicken. Er wird Euch begleiten. Es ist schon alles vorbereitet.«
    »Aber ich kann nicht in die Normandie!«, rief Adela aus. »Nicht jetzt.«
    »Oh?« Die Witwe musterte sie forschend und zuckte dann die Achseln. »Wer wird Euch bei sich aufnehmen? Habt Ihr jemand Bestimmten im Sinn?«
    Adela schwieg und überlegte fieberhaft. »Vielleicht«, erwiderte sie zögernd. »Es könnte sein.«
     
     
    Oft ritt Edgar in die Gegend von Burley, denn der Förster dort war ein Freund von ihm. Auch an diesem Frühlingsmorgen hatte er sich zu dem düsteren Tal begeben, wo das Dorf lag, hatte den Mann aber nicht zu Hause angetroffen. Deshalb wandte er sich nach Osten und machte sich im Wald auf die Suche, bis er auf seinen Freund stieß, der gerade auf einer Lichtung mit Puckle sprach. Bei Edgars Anblick winkte der Freund ihm zu und bedeutete ihm abzusteigen.
    Edgar folgte der Aufforderung.
    »Was gibt es?«
    Der Förster wirkte aufgeregt. Offenbar hatte Puckle ihm etwas Wichtiges mitgeteilt, und die beiden Männer hatten anscheinend gerade gemeinsam aufbrechen wollen. An Stelle einer Antwort legte der Förster nur den Finger an die Lippen und forderte Edgar mit einer Handbewegung auf, sie zu begleiten. »Ihr werdet schon sehen.«
    Die drei Männer gingen schweigend durch den Wald und achteten darauf, nicht auf Zweige zu treten, deren Knacken sie hätte verraten können. Einmal leckte der Förster sich über den Finger und hielt ihn hoch, um festzustellen, aus welcher Richtung der Wind kam. Fast einen Kilometer weit setzten sie so ihren Weg fort. Der Förster und Puckle pirschten sich immer vorsichtiger heran, gingen in die Hocke und suchten Deckung hinter Büschen. Edgar folgte ihrem Beispiel. Etwa hundert Meter schlichen sie weiter. Dann nickte Puckle und wies auf eine Stelle zwischen zwei Bäumen.
    Es war eine kleine Lichtung, nur etwa zwanzig Schritte entfernt, in deren Mitte ein alter Baumstumpf und ein Stechpalmenbusch standen. Ohne den dunklen Ring aus Spuren im abgefallenen Laub hätte nicht einmal Puckle diesen Ort eines Blickes gewürdigt. Doch heute wimmelte es dort von Leben.
    Sie waren zu fünft, alles Böcke, die in der nächsten Saison zum ersten oder zweiten Mal brunftig werden würden. Sie trugen noch ihr Geweih und boten einen prächtigen Anblick. Und sie tanzten im Kreis herum.
    Anders konnte man das, was sie taten, nicht ausdrücken, denn sie umrundeten hüpfend und springend in Reih und Glied die Lichtung. Immer wieder stellten sich zwei von ihnen auf die Hinterläufe, wandten sich einander zu und fuchtelten wie Boxer. Allerdings geschah das nicht im Ernst, sondern nur im Spiel. Es handelte sich hier um eine der seltensten und hübschesten der vielen Zeremonien im Wald. Edgar lächelte zufrieden. Seit zehn Jahren hatte er keine Gelegenheit mehr gehabt, im Kreis umhertanzende und spielende Hirsche zu beobachten.
    Und warum tanzten die Hirsche im Kreis herum? Aber dieselbe Frage konnte man sich auch beim Menschen stellen. Mit der Freude und

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