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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Ehrfurcht, wie sie den Bewohnern des New Forest eigen ist, sahen die Männer dem Schauspiel lange Zeit zu. Nach einer Weile schlichen sie lautlos davon.
    In Hochstimmung machte sich Edgar auf den Rückweg durchs Avontal. Er brannte darauf, seinem Vater von diesem Erlebnis zu erzählen.
    Bei seiner Ankunft jedoch musste er feststellen, dass sein Vater andere Sorgen hatte. »Ein Bote ist hier«, berichtete Cola seinem Sohn, während er, ihm voran, in die Halle trat. Die Miene des alten Mannes war finster. Edgar bemerkte einen jungen Burschen, der neben seinem Pferd vor der Scheune wartete. »Aus Winchester.«
    »Oh?« Edgar wusste nicht, was er mit dieser Nachricht anfangen sollte. Aber er bemerkte, dass sein Vater ihn prüfend musterte.
    »Dieses Mädchen. Tyrrells Base. Sie will hierher kommen. Offenbar gibt es Schwierigkeiten in Winchester. Sie schreibt nicht, worum genau es sich handelt.«
    »Aha.«
    »Nein, Vater.« Das war die Wahrheit. Doch Edgar überlegte fieberhaft.
    »Das gefällt mir gar nicht.« Wieder sah Cola seinen Sohn an.
    »Sie hat einflussreiche Verwandte.«
    »Hmmm… Ich glaube nicht, dass denen viel an ihr liegt. Aber du hast Recht. Ich möchte mir Tyrrell nicht zum Feind machen. Und die Clares…« Er schwieg nachdenklich. Wie so häufig hatte Edgar den Eindruck, dass sein Vater ihm etwas verheimlichte. »Ich glaube, dieses Mädchen wird uns Ärger einbringen«, meinte Cola schließlich. »Bestimmt will sie Winchester verlassen, weil sie in Schwierigkeiten geraten ist. Und das hat mir hier gerade noch gefehlt. Außerdem…« Er betrachtete Edgar mit düsterer Miene.
    »Außerdem?«
    »Glaube ich mich daran zu erinnern, dass du eine Schwäche für sie hattest.«
    »Ich weiß.«
    »Könnte das wieder geschehen?«
    »Vielleicht.«
    »Genau das bereitet mir Kummer.« Der alte Mann schüttelte den Kopf. »Sicher ist dir klar, dass sie dir nur Nachteile einhandeln wird«, knurrte er. »Und mir auch«, fügte er leise hinzu.
    »Hältst du sie denn für ein solches Ungeheuer?«
    »Nein, eigentlich nicht, aber…« Cola zuckte die Achseln. »Sie wird uns eben nicht nützlich sein.«
    Edgar nickte. Nun hatte er verstanden. Sie brauchten eine Frau mit Vermögen. Eine, die nicht überall Anstoß erregte. Doch möglicherweise lag es am Anblick der tanzenden Hirsche, an der Frühlingsluft und an der Erinnerung an die gemeinsamen Ausritte mit ihr, dass er einfach widersprechen musste. »Wir sollten sie dennoch bei uns aufnehmen.«
    Cola nickte. »Ich habe befürchtet, dass du das sagen wirst.« Er seufzte. »Nun, sie kann hier bleiben, bis es mir gelingt, Tyrrell eine Nachricht zukommen zu lassen. Ich werde ihn fragen, was ich mit ihr anfangen soll. Ich hoffe nur bei Gott, dass er sie sofort abholt, sobald er weiß, dass sie hier ist.«
    Nun war Adela näher bei Martell. Mehr kümmerte sie nicht. Zugegebenermaßen hatte sie sich in eine verzwickte Lage gebracht, doch die Witwe in Winchester war wenigstens so gütig gewesen, sich einen passenden Vorwand für ihre Abreise auszudenken. Man erzählte Cola, Adela werde von einem unerwünschten Freier bedrängt und müsse Winchester deshalb für einige Zeit verlassen. Adela wusste nicht, ob der alte Mann diese Geschichte glaubte, aber eine bessere war ihr nun einmal nicht eingefallen. Sie bedankte sich für seine Gastfreundschaft, murmelte, Tyrrell und ihre normannischen Verwandten würden ihm sehr dankbar sein, und hielt den Kopf hoch erhoben.
    Nach einigen Tagen schon wurde ihr klar, dass Edgar, obwohl er sie mit höflicher Zurückhaltung behandelte, immer noch verliebt in sie war. Und da sie den hübschen jungen Angelsachsen mochte, bedeutete dieser Umstand eine willkommene Ablenkung.
    Außerdem war es hier leichter, das Neueste über Lady Maud zu erfahren. Sie erzählte Cola von ihrer Begegnung mit Martell in Winchester. Und so schien es nur natürlich, dass sie sich Sorgen um das Befinden der Lady machte, die schließlich ihre Gastgeberin gewesen war. Da der Förster hin und wieder von Martell hörte, wusste Adela inzwischen, dass Lady Maud auch weiterhin schwer krank war. Es ging das Gerücht um, dass sie die Geburt vermutlich nicht überleben würde. Also wartete Adela geduldig ab.
    Tyrrells Antwort traf erst nach einem knappen Monat ein und war ein meisterlicher Schachzug.
    Dieser bestand aus einem Brief, verfasst in normannischem Französisch, den Cola einem der alten Mönche in Christchurch vorlegte, um sicherzugehen, dass er ihn auch richtig verstanden

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