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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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hatte. Das Schreiben lautete folgendermaßen:
     
    Walter Tyrrell, Lord von Poix,
    entbietet Cola, dem Förster, seinen Gruß.
    Ich danke Euch, mein Freund, auch im Hamen ihrer Familie für die Freundlichkeit, die Ihr Lady Adela zuteil werden lasst. Ich werde Euch nie vergessen, dass Ihr einer, wenn auch noch so entfernten, Verwandten von mir geholfen habt. Wenn ich im Spätsommer in England eintreffe, werde ich sie bei Euch abholen und Euch sämtliche angefallenen Kosten zurückerstatten.
     
    »Dieser hinterlistige Teufel«, knurrte Cola. »Er zwingt mich, sie drei Monate hier zu behalten. Und falls sie mich in Schwierigkeiten bringt, ist sie nur eine ›entfernte Verwandtes für deren Betragen man ihn nicht zur Rechenschaft ziehen kann.«
    Inzwischen erfüllte ihn das Verhältnis zwischen Adela und seinem Sohn mit großer Sorge. Und dabei gab es doch viel wichtigere Dinge, über die er sich den Kopf zerbrechen musste.
     
     
    Während des Osterfestes in Winchester war König Wilhelm II. genannt Rufus, ausgezeichneter Stimmung gewesen. Und in den folgenden Wochen hatte sich seine Laune noch weiter gebessert.
    Das Verhalten seines Bruders Robert kam ihm durchaus gelegen. Nach seiner Hochzeit mit der italienischen Erbin hätte der Herzog der Normandie eigentlich sofort mit seiner Braut und deren Geld zurück in die Heimat eilen müssen, um sein Pfand auszulösen. Doch weit gefehlt. Nachdem er sich im Kreuzzug als Held bewiesen hatte, verfiel er wieder in seinen gewohnten Trott. Der Herzog und seine Gemahlin setzten ihre Reise nur langsam fort, machten immer wieder Station und gaben das Geld mit vollen Händen aus. Es war unwahrscheinlich, dass sie die Normandie vor dem Ende des Sommers erreichen würden.
    »Gebt ihm nur Zeit«, meinte Rufus lachend zu seinen Höflingen. »Bald wird er die ganze Mitgift verschleudert haben. Ihr werdet schon sehen.« Inzwischen herrschte Rufus nicht nur über die Normandie, sondern schmiedete auch Pläne, möglichst umfangreiche Teile des angrenzenden Frankreichs seinem Gebiet einzuverleiben.
    Als der Sommer begann, sah die Lage für ihn sogar noch rosiger aus. Beflügelt vom Beispiel so vieler christlicher Herrscher, die sich durch einen Kreuzzug Ruhm und Ehre erworben hatten, beschloss der Herzog von Aquitanien – einem großen, wohlhabenden, sonnendurchfluteten Weinbaugebiet südwestlich der Normandie –, sich ebenfalls ins Heilige Land zu begeben. Um das nötige Geld dafür aufzutreiben, blieb ihm, wie schon zuvor Robert, nichts anderes übrig, als Rufus um ein hohes Darlehen zu bitten.
    »Er will ganz Aquitanien verpfänden«, verkündeten seine Gesandten. Rufus, den die Religion nicht kümmerte, lachte auf. »Das könnte einen fast dazu bringen, wieder an Gott zu glauben«, stellte er fest.
    Für Edgar war es ein Vergnügen, Adela durch den New Forest zu führen. Er zeigte ihr, wie man die Fährte des Damhirsches las. »Seht Ihr, der Rothirsch hat ein gespaltenes Trittsiegel. Beim Gehen schieben sich die beiden Schalen zusammen, sodass die Spur einem kleinen Hufabdruck ähnelt. Wenn er flüchtet, spreizen sie sich auseinander, und man erkennt ein ›V‹ auf dem Boden.« Er lächelte zufrieden. »Und da ist noch etwas. Seht Ihr diese Fährte mit den nach außen gewandten Tritten. Das war ein Männchen. Bei Weibchen zeigen sie geradeaus.«
    Als sie einmal von Burley nach Lyndhurst durch den tiefen Wald ritten, fragte er sie: »Wisst Ihr, wie man im Wald feststellen kann, welche Richtung man eingeschlagen hat?«
    »Am Sonnenstand?«
    »Und wenn es bewölkt ist?«
    »Keine Ahnung.«
    »Sucht Euch einen einzeln stehenden, gerade gewachsenen Baum«, erklärte er. »Flechten wuchern immer auf der feuchten Seite des Baumes, also dort, wohin der Wind an den meisten Tagen den Nebel vom Meer hinübertreibt. Und in diesem Teil Englands ist das der Südwesten. Wenn Ihr also Flechten findet, wisst Ihr, dass dort der Südwesten ist.« Er grinste. »Falls Ihr Euch verirren solltet, sagen Euch die Bäume, wo ich wohne.«
    Ihr war klar, dass er sich immer mehr in sie verliebte, und im Juni begann das schlechte Gewissen sie zu plagen. Auch wenn es besser gewesen wäre, ein wenig Abstand zu ihm zu wahren, fiel ihr das schwer, denn sie mochte ihn. Also ritten sie weiter zusammen aus, lachten viel und unternahmen lange Spaziergänge. An manchen Tagen jedoch ließ sich Adela zu keinem Ausflug überreden. Sie hatte eine große kunstvolle Stickerei begonnen, die sie seinem Vater als kleinen Dank für

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