Der Wald der Könige
Vermutlich nach demselben Muster: Der Herzog von Aquitanien zieht ins Heilige Land. Rufus leiht ihm das Geld dafür und wünscht ihm eine gute Reise. Und während er fort ist, stiehlt er ihm sein Herzogtum. Was, glaubt Ihr, werden die Leute davon halten? Und wie wird sich die Kirche dazu stellen? Die Spannung innerhalb der Christenheit wächst.«
»Zum Glück betreffen uns diese Dinge hier im New Forest nicht«, meinte Edgar.
Sein Vater betrachtete ihn nur finster. »Es ist ein königlicher Forst«, murmelte er. »Das alles betrifft daher auch uns.« Mit diesen Worten ließ er die beiden allein.
Eine Woche später traf ein schwarz gewandeter Mann ein, den Adela noch nie zuvor gesehen hatte. Er sprach eine Weile allein mit Cola, und als er fort war, wirkte Edgars Vater bedrückt.
Noch nie hatte Adela ihn so ernst und niedergeschlagen erlebt. Auch in den darauf folgenden Tagen schien sich seine Besorgnis nicht zu legen. Sie bemerkte, dass Edgar sich ebenfalls Gedanken über Colas Zustand machte, doch als sie sich bei ihm nach dem Grund erkundigte, schüttelte er nur den Kopf.
»Er will es mir nicht sagen.«
Zu dem zweiten Ereignis kam es einige Tage später bei einem gemeinsamen Ausritt.
Am Westrand des dunklen Tals von Burley erhob sich eine steile, bewaldete Anhöhe, die etwa anderthalb Kilometer vom Dorf entfernt ihren höchsten Punkt erreichte. Diese Stelle nannte man Castle Hill – Schlossberg –, obwohl dort nie ein normannisches Schloss gestanden hat. Inmitten einzelner Eschen, Stechpalmen und Gestrüpp waren nur die Umrisse einer bescheidenen Einfriedung aus niedrigen Erdwällen und Gräben zu erkennen. Niemand wusste, ob es sich um die Überreste eines Viehpferchs, einen Beobachtungsposten oder um eine kleine Festung handelte und ob die Erbauer entfernte Vorfahren der Waldbewohner oder unbekannte Siedler aus grauer Vorzeit gewesen waren. Doch ganz gleich, wessen Geister hier auch umgehen mochten, es war ein friedlicher, idyllischer Ort, wo sich dem Betrachter, wenn er nach Westen blickte, eine beeindruckende Aussicht bot. Man konnte über die braune Heide am Waldesrand bis hinab ins Avontal sehen. Dahinter erhoben sich in mehr als dreißig Kilometern Entfernung die blaugrünen Berge von Dorset.
Es war ein angenehmes Plätzchen für einen Ausflug an einem strahlenden Sommermorgen. Die Sonne brachte Edgars goldenes Haar zum Funkeln. Und als er ihr in ruhigem, ja, fast fröhlichem Ton die Frage stellte, mit der sie schon seit geraumer Zeit rechnete, sah er dabei so edel aus. Welche Frau hätte da widerstehen können? Wie gerne wäre Adela in diesem Moment eine andere gewesen.
Und welchen Grund gab es eigentlich, ihn zurückzuweisen? Benahm sie sich nicht albern? Schließlich geschah es öfter, dass normannische Sieger und besiegte angelsächsische Adelige miteinander eine Ehe eingingen. Adela würde ihren Stolz ein wenig herunterschlucken müssen, doch ein Weltuntergang war es beileibe nicht. Außerdem war Edgar so reizend, und sie hatte ihn gern.
Doch vor ihr in der blauen Ferne im Westen lag das Gut von Hugh de Martell. Und dorthin, in eines der Täler zwischen den Hügeln, richtete sich nun ihr Blick. Hinter ihr, nur etwa anderthalb Kilometer entfernt, plätscherte der kleine Bach, wo Puckles Frau ihr die Zukunft vorausgesagt hatte.
Sie würde Martells Frau werden. Daran glaubte Adela ganz fest. Nach der Schreckensnachricht, Lady Maud habe die Geburt wohlbehalten überstanden, hatte sie lange darüber nachgedacht, welche Folgen das für sie haben würde. Dann hatte sie sich an die Warnung der Hexe erinnert: »Die Dinge sind nicht immer das, was sie zu sein scheinen.« Ihr war Glück versprochen worden, und sie vertraute darauf. Sie wusste ganz genau, dass etwas geschehen würde. Bestimmt würde Lady Maud ihr irgendwann nicht mehr im Weg stehen.
Dann würde sie Martells Sohn eine gute Mutter sein und dadurch die Schuld abbüßen, die sie auf sich geladen hatte, indem sie Lady Maud den Tod wünschte.
Was sollte sie Edgar also antworten? Sie wollte ihn auf keinen Fall kränken. »Ich danke Euch«, erwiderte sie zögernd. »Gewiss würde ich an Eurer Seite glücklich werden. Aber ich bin mir meiner Gefühle noch nicht sicher. Im Augenblick kann ich nicht zusagen.«
»Dann werde ich Euch am Ende des Sommers wieder fragen«, entgegnete er lächelnd. »Lasst uns weiter reiten.«
Hugh de Martell betrachtete seine Frau und sein Kind. Sie saßen im lichtdurchfluteten Wintergarten. Sein Sohn
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