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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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glaubte, in ihren Träumen einen Streit gehört zu haben.
    Leise stand sie auf, schlich sich zur Tür der Halle und spähte hinein.
    Cola und Edgar saßen an einem Tisch, auf dem eine Fackel gerade so viel Licht verbreitete, dass man sie erkennen konnte. Der alte Mann war bereits für die Jagd gekleidet. Edgar trug nur ein langes Untergewand. Offenbar unterhielten sich die beiden schon seit einer Weile, und nun sah Edgar seinen Vater fragend an. Dieser stierte müde auf die Tischplatte.
    Endlich sprach der alte Mann weiter, jedoch ohne den Kopf zu heben. »Glaubst du, ich verbiete dir grundlos, in den New Forest zu reiten?«
    »Nein, aber ich würde diesen Grund gerne kennen.«
    »Begreifst du denn nicht, dass es sicherer für dich ist, wenn du nichts weißt?«
    »Ich finde, du solltest mir vertrauen.«
    Der alte Mann dachte nach. »Wenn mir etwas zustoßen sollte«, sagte er schließlich, »ist es vielleicht wirklich besser, wenn du wenigstens zum Teil im Bilde bist. Die Welt ist gefährlich, und möglicherweise sollte ich dich nicht gegen alles abschirmen. Du bist ein erwachsener Mann.«
    »Das glaube ich auch.«
    »Hast du dir schon einmal überlegt, wie vielen Leuten es recht wäre, wenn Rufus verschwände?«
    »Einer ganzen Menge.«
    »Richtig. Und zwar in einigen Ständen. Noch nie waren es so viele wie zurzeit.« Er hielt inne. »Wenn Rufus jetzt im New Forest einen Unfall erlitte, würde es besagten Leuten, wer immer sie auch sein mögen, sehr gelegen kommen.«
    »Der König wird einen Unfall haben?«
    »Vergiss nicht, dass Mitgliedern der königlichen Familie schon des Öfteren im New Forest etwas zugestoßen ist.«
    Das war wahr. Vor vielen Jahren war Richard, der vierte Sohn des Eroberers, im New Forest gegen einen Baum geritten und hatte dabei den Tod gefunden. Und einer von Rufus’ Neffen, ein unehelicher Sohn seines Bruders Robert, war vor kurzem im New Forest von einem verirrten Pfeil getötet worden.
    Aber dennoch: Ein König! Edgar war wie vom Donner gerührt. »Heißt das, man plant einen Anschlag auf Rufus?«
    »Mag sein.«
    »Wann?«
    »Heute Nachmittag. Möglicherweise.«
    »Und da du davon weißt, bist du offenbar in die Sache verwickelt.«
    »Das habe ich nicht gesagt.«
    »Du konntest nicht einfach die Ohren vor diesem Wissen verschließen?«
    »Es sind mächtige Leute, Edgar. Sehr mächtige Leute. Unsere Stellung – meine und eines Tages auch deine – ist gefährdet.«
    »Du kennst also die Männer, die dahinter stecken?«
    »Nein. Da bin ich nicht sicher. Einflussreiche Personen haben sich an mich gewandt. Doch die Dinge sind nicht immer so, wie sie zu sein scheinen.«
    »Und es soll heute geschehen?«
    »Möglicherweise. Vielleicht auch nicht. Erinnere dich an das letzte Mal, als Rufus in einem Wald getötet werden sollte. Damals ist einer der Verschwörer in letzter Minute übergelaufen. Es gibt keine Gewissheit. Es kann passieren oder auch nicht.«
    »Aber Vater…« Edgar betrachtete den alten Mann besorgt. »Ich werde dich nicht fragen, in welcher Weise du an der Sache beteiligt bist. Woher nimmst du die Sicherheit, dass man dir nicht die Schuld in die Schuhe schieben wird, wenn es zu einem Zwischenfall kommt? Schließlich bist du nur ein angelsächsischer Förster.«
    »Richtig. Allerdings glaube ich das nicht. Dazu weiß ich zu wenig und außerdem« – er lächelte – »habe ich mit Hilfe deines Bruders in London einige Vorkehrungen getroffen. Ich denke, mir droht keine Gefahr.«
    »Werden sie denn nicht einen Sündenbock brauchen?«
    »Sehr gut, ich sehe, du hast einen scharfen Verstand. Natürlich werden sie das. Er wurde sogar schon ausgesucht, so viel weiß ich. Und sie haben eine gute Wahl getroffen. Der Mann ist ein naiver Gernegroß, der sich Teil dieses erlauchten Kreises wähnt. Doch in Wirklichkeit tappt er völlig im Dunkeln.«
    »Und wer ist das?«
    »Walter Tyrrell.«
    »Tyrrell?« Edgar stieß einen leisen Pfiff aus. »Soll das heißen, die Clares opfern ein Mitglied ihrer eigenen Familie?«
    »Habe ich behauptet, dass die Clares daran beteiligt sind?«
    »Nein, Vater.« Edgar lächelte. »Das hast du nicht.«
    Tyrrell. Adela erstarrte. Ihr Vetter Walter sollte in eine Falle gelockt werden und als Sündenbock herhalten. Und er ahnte nicht, in welcher Gefahr er schwebte. Beim bloßen Gedanken, dass sie nun von diesem schrecklichen Geheimnis wusste, schnürte es ihr die Kehle zu. Zitternd schlich sie sich in ihr Zimmer, voller Angst, das laute Klopfen ihres Herzens

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