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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Plötzlich tauchte ein Mönch auf, was Rufus, dem Kirchenmänner bestenfalls lästig waren, nicht sonderlich erfreute. Doch da dieser redegewandte Bursche darauf bestand, einen wichtigen Brief von seinem Abt zu überbringen, nahm der König das Schreiben achselzuckend entgegen.
    Nachdem er es gelesen hatte, lachte er auf. »Also, Walter, vergesst nicht, was ich Euch gesagt habe: Wehe, wenn Ihr mit meinen Pfeilen danebenschießt«, meinte er zu Tyrrell. Er wandte sich an die übrigen Anwesenden: »Ist es zu fassen, was dieser Abt aus Gloucester mir schreibt! Einer seiner Mönche hatte einen Traum, oder besser eine Erscheinung, in der ausgerechnet ich vorkam – vermutlich, wie ich in der Hölle schmore.« Er grinste und wedelte mit dem Pergament herum. »Also setzt der Mann sich hin, schreibt mir einen Brief, schickt ihn mir den weiten Weg quer durch England und warnt mich, auf der Hut zu sein. Und so ein Kerl, der Himmel steh uns bei, ist Abt! Von jemandem in dieser Position möchte man doch mehr Vernunft erwarten.«
    »Gehen wir auf die Jagd, Sire«, schlug einer der Männer vor.
     
     
    Es war schon später Vormittag, als Hugh de Martell sein Haus verließ. Aus irgendeinem Grund hatte sich seine Frau ausgerechnet diesen Morgen ausgesucht, um ihn mit allerhand Kleinigkeiten zu belästigen, bis er schließlich gezwungen gewesen war, ihr ziemlich unfreundlich Einhalt zu gebieten. Deshalb hatte er ein schlechtes Gewissen und üble Laune. Er trieb sein Pferd zum Trab an und preschte die lange Strecke entlang, die über die Kreidefelsen führte.
    Allerdings machte er sich keine übergroßen Sorgen. Sie würde auf ihn warten.
     
     
    Edgar war völlig erstaunt, als einer der Stallburschen meldete, dass Adelas Pferd fehle. Es war schon mitten am Vormittag, und da er sehr beschäftigt gewesen war, hatte er gar nicht auf Adela geachtet, sondern angenommen, dass sie sich irgendwo im Haus aufhielt. Edgar wunderte sich, dass er sie gar nicht hatte wegreiten sehen. Also ging er schnurstracks in ihr Zimmer, wo er den Brief von Martell fand.
    Er brauchte das normannische Französisch nicht genau zu lesen, um die Bedeutung dieses Schreibens zu verstehen. Es reichte, dass er die Wörter »Burley Castle« und »Hugh« erkannte. Wenig später ritt er los. Sie hatte den Befehl seines Vaters missachtet. Das allein war schon schlimm genug. Hinzu kam, dass ihr Verschwinden eindeutig mit Martell zusammenhing. Sie wollte sich heimlich mit ihm treffen.
    Schon bei Martells Besuch hatte sich sein Argwohn geregt, aber es wäre unhöflich gewesen, sie darauf anzusprechen. Cola hatte ihm schon vor langer Zeit anvertraut, dass Martell ein Frauenheld war und sich hin und wieder am Rande des New Forest auf ein Liebesabenteuer einließ. Edgar hatte das nicht weiter verwundert. Schließlich waren es die Feudalherren, wie die Mächtigen aller Epochen, gewöhnt, sich gewisse Rechte herauszunehmen. Allerdings hatte Edgar vermutet, dass sich Martell wegen des angegriffenen Gesundheitszustandes seiner Frau eine Weile zurückhalten würde. Wahrscheinlich hatte der reiche Grundherr der Versuchung nicht widerstehen können, einer ungebundenen Frau wie Adela nachzustellen. Dass er, Edgar, Adela heiraten wollte, war für Martell sicher kein Hinderungsgrund, sondern eher ein Ansporn, seine Überlegenheit zu beweisen.
    Was sollte er jetzt tun? Er war völlig ratlos. Sollte er sie zunächst beobachten? Herausfinden, was sich zwischen ihnen abspielte? Sie zur Rede stellen? Sich mit Martell schlagen? Er wusste es beim besten Willen nicht.
    Bald hatte Edgar das Tal hinter sich gelassen. Es kostete ihn nur einen kleinen Umweg von etwa anderthalb Kilometern, ihren Treffpunkt unbemerkt von Norden her zu umrunden und sich lautlos von hinten durch die Bäume anzupirschen. Er fühlte sich wie ein Spion, als er sein Pferd an einen Baum band und zu Fuß weiterschlich.
    Doch keine Spur von ihnen. Ihre Pferde waren nirgendwo zu sehen. Auch auf der tiefer liegenden Heide konnte er von hier oben nichts entdecken. Waren sie irgendwo in der Nähe, versteckt hinter Farnwedeln oder im hohen Gras?
    Gewiss waren sie hier gewesen und gemeinsam wieder fortgeritten. Und dann? Er wusste, dass es zwecklos war, darüber nachzugrübeln, doch er konnte nicht anders. Ihm wurde flau im Magen, als ihm die Erkenntnis kam: Sie wollten allein sein.
    Edgars Nerven waren zum Zerreißen gespannt. Mit klopfendem Herzen ritt er weiter, erkundigte sich in Burley, ob man Adela gesehen habe, und hielt

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