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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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sie sich das Gesicht gewaschen hatte. Unter der Wirkung des kalten Wassers war die Rötung bereits ein wenig abgeklungen. Auch das Haar hatte sie sich gekämmt. Und ihr Mieder war ein wenig heruntergerutscht, sodass der Ansatz ihrer Brüste freilag. Wahrscheinlich war das versehentlich beim Waschen geschehen.
    »Hoffentlich fühlst du dich jetzt etwas besser«, sagte er.
    »Ja.«
    Adam hatte den Eindruck, dass ihre blauen Augen ihn nachdenklich musterten. Dann lächelte sie. »Ihr müsst Euch meine Tiere ansehen«, meinte sie. »Ich bin sehr stolz auf sie.«
    Also folgte er ihr, so höflich wie ein Ritter einer Lady, und ließ sich in ihrem Reich herumführen.
    Sie nahm sich Zeit. Zuerst fütterte sie die Hühner und sagte ihm, wie jedes Einzelne von ihnen hieß. Dann waren die Schweine an der Reihe. Die Katze hatte vor kurzem Junge bekommen, die Adam gehorsam bewunderte.
    Er hatte Hochachtung vor seiner Gastgeberin, die sich so rasch wieder gefasst hatte. Ein spöttisches Lächeln auf den Lippen, nannte sie ihm die Namen der Hühner – einige davon waren wirklich komisch: Er fragte sie, ob sie sie selbst erfunden hatte.
    »Ja.« Sie sah ihn belustigt an. »Mein Mann arbeitet auf dem Feld, ich gebe den Hühnern Namen.« Sie zuckte die Achseln, und ihm fiel die Szene auf dem Feld wieder ein, deren Zeuge er geworden war. »Das ist nun einmal mein Leben«, fügte sie hinzu.
    Er bewunderte sie nicht nur, er hatte sie auch gern, und er hätte sie gerne beschützt. Er folgte ihr weiter und beobachtete jeden ihrer Handgriffe. Wie anmutig sie sich bewegte. Das hatte er bis jetzt gar nicht bemerkt. Trotz ihres kräftigen Körperbaus war sie sehr leichtfüßig und hatte einen hübschen, schwingenden Gang. Wenn sie sich bückte, um ihre Tiere zu versorgen, sah er ihre wohlgerundeten Schenkel und ihre kurvenreiche Figur. Und als sie sich aufrichtete und auf die Zehenspitzen stellte, um einen Apfel vom Baum zu pflücken, erkannte er im Sonnenlicht, dass sie vollkommen geformte Brüste hatte.
    Die Nachmittagssonne wärmte ihn. Der zarte Duft von Geißblatt mischte sich mit den Gerüchen des Hofes. Obwohl es ihm seltsam erschien, kam ihm in ihrer Gegenwart alles – die Tiere, der Apfelbaum und sogar der blaue Himmel über ihm – plötzlich viel wirklicher vor; echter, als er es je für möglich gehalten hätte.
    »Komm«, meinte sie. »Ich muss noch jemanden besuchen. In der Scheune.« Und sie ging an dem Haufen vorbei, aus dem der Duft von Farnkraut aufstieg.
    Er folgte ihr, doch am Scheunentor blieb sie auf einmal stehen und sah ihn an. »Wahrscheinlich langweilt Euch das fürchterlich.«
    »Nein«, meinte er erschrocken. »Überhaupt nicht.«
    »Nun.« Sie lächelte. »Ein Bauernhof kann doch nicht sehr interessant für Euch sein.«
    »Als Kind«, entgegnete er, »habe ich auf einem Bauernhof gelebt. Eine Weile wenigstens.« Das entsprach der Wahrheit. Sein Vater war zwar Kaufmann gewesen, doch sein Onkel hatte einen Bauernhof besessen, und Adam hatte einige Jahre dort verbracht.
    »Aber, aber«, schmunzelte sie. »Ein Bauernjunge. Es war einmal…« Sie lachte leise auf. »Das muss aber schon sehr lange her sein.«
    Dann berührte sie sanft seine Wange. »Kommt«, sagte sie.
    Wann hatte der Gedanke bei ihr Gestalt angenommen? Mary war nicht ganz sicher. War es draußen auf der Heide gewesen, als der gut aussehende Mönch sie gerettet hatte wie ein Ritter eine Dame in Not? Lag es an der Art, wie er seine starken Arme um sie gelegt hatte?
    Ja. Vielleicht war es da geschehen. Und wenn nicht… Dann eben, als sie die Abkürzung durch den Wald genommen hatten. Niemand kann uns sehen, hatte sie gedacht. Das Dorf, ihre Schwägerin, selbst ihr Bruder – keiner von ihnen ahnte, dass sie mit einem Fremden hier war. O ja, ihr Herz hatte in diesem Augenblick zu klopfen angefangen.
    Und selbst wenn sie sich bei ihrer Ankunft noch nicht entschieden hatte, als sie sich das Gesicht wusch, hatte sie es gewusst. Das Prickeln des Wassers auf ihrer Stirn und auf den Wangen. Als sie ihr Mieder heruntergezogen hatte, waren ein paar Tropfen auf ihre Brüste gefallen, und sie hatte erschaudernd nach Luft geschnappt. Und dann hatte sie durch den Türspalt gesehen, dass er auf sie wartete.
    Sie gingen in die Scheune. Das Tier, das Mary gemeint hatte, gehörte nicht zum Bauernhof. Sie führte Adam in eine Ecke, kniete nieder und zeigte ihm eine kleine, mit Stroh gepolsterte Schachtel. »Ich habe ihn vor zwei Tagen gefunden«, sagte sie.
    Es war eine

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