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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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wichen den moorigen Stellen aus. Zu ihrer Rechten sahen sie in der Ferne eine Herde Schafe über die Wiesen ziehen.
    Die Sonne brannte heiß auf sie herunter, das Heidekraut schimmerte violett, und sein süßer Duft stieg einem zu Kopf wie der von Geißblatt. Der Vollmond hing silbrig fahl am azurblauen Himmel.
    Sie sprachen kein Wort. Bruder Adam hatte die Arme um sie gelegt, um die Zügel halten zu können. Erst als sie nach dem kleinen Bach Crockford einen Abhang hinaufritten, fragte sie: »Wollt Ihr zu den Feldern oberhalb der Furt?«
    »Ja, aber ich kann dich zuerst ins Dorf bringen.« Das war nur ein Umweg von etwa anderthalb Kilometern.
    »Ich würde lieber von den Feldern aus zu Fuß gehen. Es gibt eine Abkürzung durch den Wald. Ich möchte nicht, dass das ganze Dorf mein Gesicht sieht.«
    »Was ist mit deinen Kindern?«
    »Sie sind bei meinem Bruder. Ich werde sie am Abend abholen.«
    Bruder Adam schwieg. Vor ihnen lag eine Heide. Hinter den Bäumen, ein Stück weiter, befand sich die Siedlung Pilley. Kein Mensch war zu sehen, nur ein paar Rinder und Ponys, die sich wie winzige braune Punkte vom violetten Heidekraut abhoben.
    Er schwitzte und bemerkte auch in Marys Nacken und an ihren Schultern kleine Schweißtropfen. Der salzige Geruch ihrer Haut stieg ihm in die Nase, erinnerte ihn an Weizen und warmes Schuhleder. Er betrachtete ihren dunklen Haaransatz und die helle Haut ihres Halses. Ihre Brüste, nicht groß, aber voll, hingen nur wenige Zentimeter über seinen Handgelenken und berührten sie fast. Beim Reiten war ihr der Rock nach oben gerutscht, sodass ihre Beine, die kräftigen, aber wohlgeformten Beine einer Bäuerin, bis zu den Knien freilagen.
    Und auf einmal überkam es ihn mit einer Macht, wie er sie noch nie zuvor empfunden hatte. Furzey, dieser dumme Bauer, durfte diese Frau in den Armen halten, so oft es ihn gelüstete. Natürlich war sich Adam dieser offensichtlichen Tatsache immer bewusst gewesen. Aber zum ersten Mal in seinem Leben traf ihn diese Erkenntnis wie ein Blitzschlag. Mein Gott, hätte er am liebsten aufgeschrien. Das ist die Wirklichkeit, die Welt der einfachen Leute. Und ich habe sie nie kennen gelernt. Habe ich das Leben verpasst? Alles versäumt? Gibt es im Universum auch noch eine andere Stimme, die so warm und blendend ist wie die Sonne? Eine Stimme, die widerhallt und durch meine Adern pulst und die ich in den sternenklaren Nächten im Kloster nie vernommen habe? Und ganz plötzlich verspürte er Neid auf Furzey und auf die ganze Menschheit. Alle wissen es, dachte er, nur ich bin ahnungslos.
    Immer noch wortlos erreichten sie eine Baumgruppe, die wie ein Arm in die Heide hineinragte. Weit und breit war niemand zu sehen, und es war still wie in einer Kirche.
    Hin und wieder erblickte er jenseits der Felder das strohgedeckte Dach einer Hütte, das in der Sonne golden leuchtete. Als sie weiter nach Süden ritten, führte der Pfad tiefer in den Wald hinein und verlief am Rand einer Böschung entlang, die bis zum Fluss reichte. Sie hatten schon ein Stück Wegs zurückgelegt und das Dorf umrundet, als sie nach links zeigte. Adam verließ den Pfad und ritt auf seinem großen Pferd zwischen den Bäumen hindurch.
    Nach einer Weile nickte sie. »Hier.«
    Nun bemerkte er, dass nur zwanzig Schritte hinter den Bäumen Ginsterbüsche wuchsen. Noch ein Stück weiter befand sich eine kleine Koppel. Er stieg ab und hob sie vorsichtig vom Pferd.
    Sie wandte sich um. »Sicher schwitzt Ihr«, sagte sie. »Ich gebe Euch etwas zu trinken.«
    Er zögerte, bevor er antwortete. »Danke.« Dann band er sein Pferd an und folgte ihr. Er war neugierig auf das Haus, in dem sie ihre Tage verbrachte.
    Von der Nachbarhütte aus waren sie nicht zu sehen, als sie die Koppel überquerten. Ein Tor führte in einen kleinen Hof. Links davon stand das Haus, rechts die Scheune. Daneben befand sich ein Haufen geschnittener Farnwedel, der an einen winzigen Heuhaufen erinnerte. Mary verschwand kurz in der Kate und kehrte mit einem hölzernen Becher und einem Wasserkrug zurück. Dann füllte sie den Becher, stellte den Krug auf den Boden und ging wortlos wieder ins Haus.
    Bruder Adam trank und schenkte noch einmal nach. Das Wasser war köstlich kühl. Es stammte aus einem der Bäche des New Forest und hatte deshalb einen frischen, scharfen Geschmack nach Farn. Mary ließ sich eine Weile nicht blicken, doch da Adam es für unhöflich hielt, ohne Dank zu verschwinden, wartete er.
    Als sie zurückkam, bemerkte er, dass

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