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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Woche war der Abt zurückgekehrt, doch nur, um sogleich wieder abzureisen, diesmal nach London. Zuvor hatte er Adam genaue Anweisungen erteilt: »Besonders zur Erntezeit musst du wachsam sein, Adam, da wir dann die meisten Tagelöhner beschäftigen. Achte darauf, dass sie nicht trinken oder raufen.«
    Ein Karren wurde von einem großen Kaltblüter den Weg hinaufgezogen. Er brachte Brotlaibe aus der Klosterbäckerei und ein paar Fässer Bier.
    »Sie erhalten nur Wilkin le Naket«, lautete der strenge Befehl des Abts. Das war das schwächste unter den verschiedenen Biersorten, die in der Abtei gebraut wurden. Es stillte zwar den Durst, machte die Arbeiter aber nicht betrunken oder schläfrig. Adam blickte zur Sonne empor. Wenn der Wagen da war, würde er den Männern eine Pause gönnen. Dann sah er in die andere Richtung zur Heide hinüber. Der Weizen auf dem nächsten Feld war schon am Vortag abgeerntet worden.
    Und dann bemerkte er Mary, die sich auf dem Stoppelfeld näherte.
     
     
    Mary ließ sich Zeit. Sie wollte Tom nämlich überraschen, und dazu hatte sie einen kleinen Korb mit selbst gepflückten Walderdbeeren mitgebracht.
    Was blieb einer Frau auch anderes übrig, die gezwungen war, bei ihrem Mann zu bleiben? Wenn es kein Entrinnen gab? Wenn sie Kinder mit ihm hatte? Wie sollte sie das Leben auf einem Bauernhof, in einer Ehe ertragen, die vorbei war und dennoch aufrecht erhalten werden musste?
    Schon vor langer Zeit war ihre Liebe erkaltet. Und obwohl Mary nichts mehr für Tom empfand, war ihr das ständige Schweigen unerträglich. Also wollte sie ihre Ehe retten. Mit kleinen Geschenken und Liebesbeweisen und ein wenig Mühe. Wenn er darauf einging, würde es ihr vielleicht gelingen, alte Gefühle zu neuem Leben zu erwecken. Oder das Zusammenleben wenigstens etwas angenehmer zu gestalten.
    Das Pony wurde mit keinem Wort erwähnt. Tom wollte nicht mehr daran denken, vermutlich hatte er auch kein Interesse mehr daran, es zurückzubekommen. Hin und wieder besuchte Mary ihren Bruder unter einem Vorwand: »Ich muss nur rasch etwas bei ihm abgeben.« Tom hatte nichts dazu gesagt. Sie war nie lang geblieben und plante, ihre Besuche mit der Zeit ein wenig auszudehnen. Von Luke hatte sie nichts mehr gesehen oder gehört. Ein- oder zweimal hatte Tom von ihm gesprochen. Vielleicht vermutete er, dass sich sein Schwager irgendwo im New Forest versteckte. Doch es war schwer zu sagen, was in ihm vorging.
    Oberflächlich betrachtet wirkte ihre Ehe recht harmonisch. Aber sie waren sich seit dem Vorfall im Mai nicht mehr nahe gekommen. Tom verhielt sich ruhig und kühl – oder er ging ihr aus dem Weg, was auf dasselbe hinauslief. Als die Erntezeit anbrach, und die Tagelöhner oft auf den Gütern oder auf den Feldern übernachteten, schien er sich über diese Gelegenheit zu freuen und unternahm keine Anstalten, nachts nach Hause zu kommen.
    Mary erreichte das Feld, als Bruder Adam den Männern gerade die Anweisung gab, eine Pause einzulegen.
    Tom war erstaunt, Mary zu sehen. Er wirkte sogar ein wenig verlegen, als sie sich näherte und ihm den Korb mit den Worten reichte: »Die habe ich für dich gepflückt.«
    »Oh.« Offenbar wollte er seine Gefühle in Gegenwart der anderen nicht zeigen. Also griff er nach seiner Sichel und begann, sie mit einem kleinen Wetzstein zu schärfen.
    Inzwischen strömten die Männer auf den Wagen zu, wo ein Laienbruder das Bier verteilte. Tom hatte seinen eigenen Holzkrug an einer Schnur am Gürtel hängen. Mary nahm ihn, holte ihm Bier und sah schweigend zu, wie er trank.
    »Du hattest einen weiten Weg«, meinte er schließlich.
    »Das ist nicht weiter schlimm«, erwiderte sie. »Den Kindern geht es gut«, fügte sie hinzu. »Sie freuen sich schon darauf, dass du zurückkommst.«
    »Das tun sie bestimmt.«
    »Ich freue mich auch darauf.«
    Er trank einen Schluck Bier und murmelte: »Gewiss.« Dann wandte er sich wieder dem Schleifen seiner Sichel zu.
    Inzwischen gesellten sich die anderen Männer zu ihnen, nickten Mary zur Begrüßung zu und begutachteten den Korb. »Das ist aber nett«, meinten sie. »Deine Frau hat schöne Erdbeeren mitgebracht, Tom. Teilst du sie mit uns?« Die Arbeiter waren guter Laune. Tom, der immer noch nicht wusste, was er davon zu halten hatte, beschränkte sich auf ein ausweichendes »vielleicht«. Mary genoss die ausgelassene Stimmung, denn sie sehnte sich danach, endlich wieder einmal zu lachen.
    »Die Prides kümmern sich wirklich gut um dich«, meinte der

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