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Der Wald der Könige

Der Wald der Könige

Titel: Der Wald der Könige Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Rutherfurd
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Wortführer. »Tom kriegt Erdbeeren, und wir anderen gehen leer aus.«
    Mary, die sich über dieses Lob freute, lächelte Tom zu.
    »Wahrscheinlich bekommt Tom sowieso alles, was er will, was?«, spöttelte einer vom Rand der Gruppe. Obwohl diese Bemerkung ein wenig anzüglich war und nicht mehr der Wahrheit entsprach, lachte Mary wieder, während Tom leicht beschämt zu Boden blickte.
    Doch ein junger Bursche, der ebenfalls ein wenig abseits stand, konnte seine böse Zunge nicht im Zaum halten und rief mit schriller Stimme: »Wenn du ihren Bruder geheiratet hättest, Tom, hättest du jetzt auch noch ein Pony!«
    Und wieder lachte Mary, und zwar, weil alle anderen lachten und weil sie keine Spielverderberin sein wollte. Außerdem hatte sie gar nicht richtig zugehört. Doch schon im nächsten Moment begriff sie, was der Mann gesagt hatte, und als sie Toms Gesicht sah, verstummte sie schlagartig. Zu spät.
    Denn Tom hatte die Situation ganz anders verstanden und glaubte, dass sie ihn verspottete. Und er deutete ihr Geschenk so, wie es eigentlich auch gedacht gewesen war – als gäbe man einem Pony einen Apfel, damit es nicht störrisch wurde. Die Prides waren doch alle gleich. Sie dachten, sie könnten ihn aufs Glatteis führen, und hielten ihn für zu dumm, das zu bemerken. Nicht einmal in der Öffentlichkeit kannten sie Scham und machten einen zum Narren. Tom sah nur, dass seine Frau über ihn lachte und dann innehielt, als dächte sie: Ach, du meine Güte, es ist ihm aufgefallen. Das war in seinen Augen die größte Beleidigung. Die Wut, die sich den ganzen Frühling und Sommer lang in ihm aufgestaut hatte, brach sich nun Bahn.
    Sein rundes Gesicht lief puterrot an. Er stieß mit dem Fuß gegen den Korb, sodass die winzigen, roten Erdbeeren über das Stoppelfeld kullerten. »Verschwinde!«, fuhr er Mary an. Dann schlug er sie mit dem Handrücken ins Gesicht. »Los, weg mit dir!«, brüllte er sie an.
    Mary rang nach Luft, wandte sich ab und lief davon. Sie hörte, dass einige Männer murrten und Tom zurechtwiesen. Aber sie hatte keine Lust, sich umzudrehen. Es war weniger die Ohrfeige, die sie erschreckt hatte, dafür hätte sie sogar noch Verständnis gehabt, als vielmehr sein eiskalter verächtlicher Ton. Offenbar war sie ihm inzwischen völlig gleichgültig.
    Bruder Adam hatte die Szene aus einiger Entfernung beobachtet. Da er so etwas nicht durchgehen lassen durfte, ging er zu den Männern hinüber und sprach Furzey in strengem Ton an: »Du befindest dich auf Klostergrund. Und ein derartiges Betragen wird hier nicht geduldet. Außerdem solltest du deine Frau nicht so behandeln.«
    »Oh?« Tom sah ihn trotzig an. »Ihr hattet nie eine Frau, Bruder, was wisst Ihr schon davon?«
    »Nimm dich zusammen«, entgegnete Adam und wandte sich ab.
    Tom konnte seine Wut nicht mehr im Zaum halten. »Ich kann mit Euch reden, wie es mir passt. Und steckt Eure Nase nicht in Dinge, die Euch nichts angehen!«, tobte er.
    Bruder Adam blieb stehen. Er wusste, dass er so ein Verhalten nicht unwidersprochen hinnehmen durfte. Fast hätte er sich umgedreht und Furzey vom Feld gejagt, als ihm die Frau einfiel. Zum Glück befand sich der Aufsicht führende Laienbruder in der Nähe. »Kümmere dich nicht um ihn«, sagte Adam ruhig zu ihm. »Es wäre nicht gut, wenn er in diesem Zustand seiner Frau nachläuft.« Diese Worte sprach er so laut aus, dass die anderen Tagelöhner sie gut hören konnten. Natürlich musste Furzey bestraft werden, aber nicht jetzt.
    Dann stieg Bruder Adam auf sein Pferd und ritt los. Es war Zeit, die Felder auf der anderen Seite der Heide zu inspizieren.
    Da er zuvor noch einige Worte mit den Schäfern unweit von Bergerie wechseln musste, holte er Mary erst auf der Heide ein. Er wusste selbst nicht genau, ob er gehofft hatte, ihr zu begegnen.
    Er zögerte und blickte ihr nach, wie sie durch das Heidekraut stapfte. Als er sah, dass sie fast gestolpert wäre, trieb er sein Pferd an.
    Offenbar hatte sie ihn gehört, denn sie drehte sich um. Er bemerkte einen roten Striemen auf ihrem Gesicht und auch, dass sie geweint hatte. Sie hatte immer noch einen viereinhalb Kilometer weiten Fußmarsch über unebenen Boden vor sich.
    »Komm.« Er streckte ihr den Arm entgegen. »Dein Dorf liegt auf meinem Weg.« Sie widersprach nicht und war über die Körperkraft des Mönches erstaunt, als dieser sie mühelos hochhob und sie rittlings vor sich auf den Rücken des großen Pferdes setzte.
    Langsam ritten sie über die Heide und

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