Der Wald des Vergessens
Archie an den Gedanken gewöhnt.
Ich habe ihm keine Antwort gegeben, mußte aber die ganze Schicht darüber nachdenken. Die Wahrheit war, und ich schäme mich fast, es zu hinzuschreiben, daß Doyles schmutzige Frage mich dazu gebracht hatte, an Alice nicht als Heranwachsende, sondern als erwachsene Frau zu denken. Es ist seltsam, wie Gott die Dinge verdreht, aus schlecht gut macht und manchmal aus gut schlecht, so scheint es.
So kam es, daß ich anfing, Alice den Hof zu machen. Sie hat mir später zu meiner Überraschung erzählt, sie habe schon lange darauf gewartet, daß ich sie frage, und schon befürchtet, ich würde es nie tun!
Wir beeilten uns nicht mit dem Heiraten, zum einen, weil wir erst etwas zur Seite legen wollten, und zum anderen, weil wir einander so sicher waren, daß keiner das Bedürfnis verspürte, sich mit Kirchenknoten zu binden. Was die starken fleischlichen Gelüste betrifft, die manche Frauen dazu ausnutzen, einen widerstrebenden Mann zum Altar zu schleppen, darin waren wir uns so gleich, daß wir mit Freude gaben und nahmen, in dem Vertrauen, daß das, was wir taten, heilig war, ohne daß ein Pfarrer seine feierlichen Worte predigte.
Ein weiterer Grund war, daß ich in meinem Beruf so gut vorwärtskam. Ich war schon lange kein Kriechjunge mehr und hatte rasch alle Jobs an den Maschinen durchgemacht, zu rasch für Leute wie Archie Doyle, der mich höhnisch als Liebling vom Boss bezeichnete. Zu guter Letzt hab ich dann gemacht, was ich vielleicht schon gleich hätte machen sollen. Ich hab gesagt, er soll sich mit mir schlagen oder die Klappe halten. Als er auf mich losging, hab ich ihn fertiggemacht. Er hat mich ein, zwei Mal erwischt und mir auch eine Rippe gebrochen, aber am Ergebnis bestand kein Zweifel, und danach sagte niemand mehr was über meinen rapiden Aufstieg. Genaugenommen hatte Doyle nicht unrecht gehabt. In meinem Herzen wußte ich, daß ich nicht weiterkam, weil ich so gut war. Ich war zwar schnell von Begriff bei allem, was ich machen mußte, aber Mr. Grindal hatte mich auch unter seine Fittiche genommen.
Die Gewerkschaftsleute hatten mich inzwischen so gut wie aufgegeben. Nicht, daß ich etwas gegen sie gesagt habe. Ich hab mich nur gedreht und gewendet, hab mich kleingemacht und bin ihnen ausgewichen, denn ich hab gewußt, daß ich auf Granit beißen würde, wenn Mr. Grindal auf die Idee gekommen wäre, ich könnte mich mit der Gewerkschaft eingelassen haben. Manchmal hab ich mit dem Vater von Alice darüber gesprochen. Der war ganz scharf auf die Gewerkschaft. Alice spielte die unterwürfige Maid und sagte: Das ist Männersache und übersteigt meinen Verstand. Aber als ihr Vater sagte, einem Liebling vom Boss würde er seine Tochter nicht geben, war von Unterwürfigkeit nichts mehr zu spüren. Sie hat erwidert, keiner von der Gewerkschaft würde ihr vorschreiben, wen sie heiraten kann und wen nicht!
Dennoch hätte er ein Hindernis für uns werden können, bis sie volljährig war. Das wäre mir lieber gewesen als das, was dann geschah. In Kirkton brach der Typhus aus, und einige Dorfbewohner wurden dahingerafft. Mr. Clark war gleich bei den ersten. Auch Alice erkrankte, und ich bangte um ihr Leben. Aber als ich Mr. Grindal davon erzählte, den ich bisher über meine Heiratsabsichten im dunklen gelassen hatte, weil ich nicht wußte, wie er dazu stand, veranlaßte der gleich seinen Schwager, Mr. Sam Batty, mit ihrem Doktor zu sprechen. Mr. Sam war ganz berühmt geworden wegen seiner Patenteinreibungen und Magensäfte, die er den Leuten wahrscheinlich umsonst gegeben hätte, wenn Mr. Grindal ihm nicht eine Fabrik eingerichtet hätte. Sie lag auf einem Stück Land, das ihm gehörte, auf der anderen Flußseite, seiner eigenen Fabrik gegenüber. Ich habe gehört, wie Mr. Grindal sagte, sein Schwager weiß mehr darüber, wie das menschliche System funktioniert, als alle Ärzte Englands, aber weniger über das Geldsystem als jeder beliebige Lebensmittelhändler in Leeds. Ich weiß nicht, was er Alice verschrieben hat oder was er gesagt hat. Ich weiß nur, daß sie sich auf seinen Rat hin schnell erholte, und dafür bin ich ihm dankbarer als alle Menschen auf Erden.
Ohne Vater, der dagegen war, und mit der Zustimmung Mr. Grindals haben wir das Aufgebot bestellt. Denn nachdem er sie kennengelernt hatte, sah er selbst, daß sie geeignet war, einem Mann eine Frau und Helferin zu sein. Geheiratet haben wir im Frühjahr 1911, und im folgenden Jahr wurde die kleine Ada
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