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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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da ein Gleichgewicht gewesen, doch mit dem Verblassen der Erinnerungen an die Menschen wurden die an die Tiere immer schärfer. Nun, zehn Jahre später, war aus dem Herrn Gemahl nicht viel mehr als eine lange Nase unter einem albernen Hut geworden, wohingegen sie sich noch genau daran erinnern konnte, wo die schwarzen Flecken der beiden Dalmatiner Aggers und Staggers saßen, die sie zu ihrem zwanzigsten Geburtstag geschenkt bekommen hatte. Die Katze eines Bauernhofs, die versuchte, sich in Kreise einzuschmeicheln, wo man geräucherten Lachs aß, indem sie Geschenke in Form von Maulwürfen und Spitzmäusen machte, war ihr deutlicher in Erinnerung als das Kleinkind Piers. Und hätte sie die intimen Teile des Herrn Friedensrichters in einer polizeilichen Gegenüberstellung identifizieren müssen, hätte sie dafür nicht die Hand ins Feuer gelegt, doch an die prachtvolle Ausstattung Balzacs, des preisgekrönten Charolais des Gutes, konnte sie sich noch so im einzelnen erinnern, als hätte Stubbs des Bullen Gemächt in ihr Gedächtnis gestochen.
    Das erklärte sie ihrem Liebhaber, einem amerikanischen Evangelisten, an ihrem letzten gemeinsamen Abend, bevor er die Bürde seiner Seelen und Schekel zurück in die Heimat schleppte.
    »Dein Herz piepst dich an, Cap. Nimm den Hörer ab und melde dich im Hauptquartier.«
    Seine Sprache ließ sie jedesmal zusammenzucken, aber dem stellte sie das Vergnügen dagegen, das ihr seine Angewohnheit machte, Halleluja! zu schreien, wenn er zum Höhepunkt kam. Und als er weg war, sprach sie mit ihrem Herzen.
    Tiere, erwiderte ihr Herz, seien die verkannten Gesetzgeber der Menschheit. Wenn es ihnen schlechtgehe, seien sie tapfer, wenn es ihnen gutgehe, mäßig. Sie brauchten keine Gefängnisse, noch mischten sie sich in die Angelegenheiten ihrer Artgenossen ein. Deshalb zeige sich im Verhalten der Menschheit ihnen gegenüber die Höhe ihres Menschseins.
    Gesagt, getan. Sechs Monate später hatte sie durch die einheimischen lockeren Zusammenschlüsse von Jagdgegnern, Walfischfreunden, Eselschützern und ähnlichem mehrere gleichgesinnte Frauen kennengelernt, die eine etwas engere Gruppe bilden wollten, die als ANIMA bekannt wurde. Daß sie nur aus Frauen bestand, war nicht geplant gewesen, sondern eine dynamische Notwendigkeit. Männer fürchten starke Frauen mehr, als sie sie bewundern, und wenn Cap über ihnen hätte stehen wollen, hätte sie die maskuline Herrschaft einer bereits existierenden Gruppe an sich reißen müssen. Indem sie statt dessen eine neue Gruppe bildete, zog sie kaum männliche Interessenten an, bis sie so erfolgreich war, daß sie nicht länger an ihnen interessiert war.
    Am Tag nach dem mißlungenen Anschlag auf Wanwood House deckte Amanda Marvell in ihrer Küche den Tisch für zwei Personen.
    Das Essen war einfach. Eine große Pastete, eine Schale Chips, grüner Salat, ein Stück Käse, ein Glas Zwiebeln und zwei Baguettes. Neben das eine Gedeck stellte sie einen Bierseidel und drei Dosen Bier, neben das andere ein Becherglas und eine Flasche mexikanisches Bier.
    Genau um ein Uhr läutete es.
    Lächelnd öffnete sie die Tür.
    Ihr Lächeln verschwand, als sie Wendy Walker im Flur stehen sah.
    »Wendy«, sagte sie. »Was willst du denn hier?«
    »Keine Bürsten verkaufen, verdammt noch mal, da kannst du Gift drauf nehmen«, sagte Wendy bissig.
    »Tut mir leid«, sagte Cap. »Ich wollte nicht unhöflich sein, nur, ich erwarte einen Gast zum Essen …«
    »Und da würde ich stören? Nun, das sollte dir doch nichts ausmachen, Cap. Ihr bekommt doch beigebracht, wie man sich über Leute hinwegsetzt, die euch in die Quere kommen, oder?«
    Cap biß die Zähne zusammen. Warum wollte sie jedesmal wie die Honorable Mrs. Rupert reagieren, als wäre sie noch immer die Honorable Mrs. Rupert, wenn Wendy sie behandelte, als wäre sie noch die Honorable Mrs. Rupert?
    Sie sagte: »Wendy, bitte, wenn es nicht gerade eine Frage von Leben und Tod ist, würde ich …«
    »Leben oder Tod!« unterbrach Wendy sie. »Warum würde dir das was ausmachen? Wenn es nicht gerade das Leben oder der Tod eines blöden Tieres wäre, und selbst da wage ich zu behaupten, daß du mehr Vögel und Viecher geschlachtet hast, als du verdammt noch mal gerettet hast.«
    »Worüber hattest du mit mir sprechen wollen, Wendy?« sagte Cap mit gefährlicher Ruhe.
    »Über gestern abend, was zum Teufel denkst du denn? Über den Brötchenpreis? Du bist unsere Gruppenleiterin, oder? Also, ich will mit der Leiterin

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