Der Wald des Vergessens
kleine Schar in Uniform fing an, Verräter zu skandieren. Das haute mich um, bis ich näher hinsah und entdeckte, daß es Rekruten aus einem Trainingslager waren. Einen erkannte ich, Archie Doyle, meinen alten Feind aus der Fabrik, der die Lilie und die Rose trug. Ich hab mir also den Weg zu ihm gebahnt und gesagt: Nett dich zu sehen, Archie. Wann stößt du zur Truppe? Und er hat mich mit einem kranken Grinsen bedacht und gesagt, in zwei Tagen bricht er auf. Und ich hab gesagt: Ich freu mich schon drauf, Archie.
Am nächsten Tag, als ich in der Fabrik vorsprach, hab ich mich nach Archie erkundigt. Dabei hab ich erfahren, daß er sich trotz der großen Reden, die er immer geschwungen hat, hinter den Röcken seiner Frau versteckt hatte, bis im vergangenen Jahr die allgemeine Wehrpflicht eingeführt wurde. Selbst dann noch hat er seine kranke Frau vorgeschoben. Er ist hinter Mr. Grindal hergerannt, der im örtlichen Ersatzamt ist, und mit seiner Hilfe wurde es verschoben. Ich mag ihn nicht sehr, aber ich dachte: armer Teufel. Du wärst besser dran, wenn du eine Hand in den Webstuhl gesteckt hättest!
Nicht, daß es noch viele Webstühle gibt, in die man überhaupt etwas stecken könnte! Alles ist verändert. Nicht nur, daß nur noch Mädchen und alte Männer arbeiten. Das hatte ich erwartet. Es ist in der Hauptsache Verbandszeug, das sie machen. Verbände, Dreieckstücher und was es sonst noch so gibt. Onkel George hat mir erzählt, daß der Alte, als er sich in den Kopf gesetzt hatte, es sei mehr in Mr. Sams Branche zu verdienen, keine Minute gezögert hat, die alten Webstühle rauszureißen und die neuen Maschinen aufzustellen. Natürlich haben wir auch über Stephen gesprochen, und ich habe zu Ada gesagt, er ist fit, und es geht ihm gut. Doch als ich Mary erwähnt habe, wurde sein Gesicht hart, und er sagte, er hätte sie schon längst an die Luft gesetzt, wenn da nicht der kleine Junge wäre. Dann hat er mich gebeten, nichts davon zu Steve zu sagen. Es müsse schlimm genug sein, das durchzumachen, was wir durchmachten, ohne sich auch noch Sorgen darüber machen zu müssen, was die eigene Frau trieb. Ich sagte, natürlich würde ich nichts sagen, dann ließ mich Mr. Grindal rufen, der gehört haben mußte, daß ich da war.
Er begrüßte mich an der Tür und sah so hart und schlechtgelaunt aus wie eh und je. Sofort hat er gesagt: Man hat mir erzählt, du hast dich gestern abend in Leeds zum Narren gemacht? Ich sagte: Ich habe die Wahrheit gesagt, wenn Sie das meinen. Wahrheit? fragte er höhnisch. Eben die Wahrheit, die allen in Ihrer Fabrik Arbeit gibt, sagte ich. Das hat ihm zu denken gegeben, und er hat gesagt: Ein Narr mehr wird in der Menschenmenge im Coliseum nicht aufgefallen sein. Komm rein. Hier ist jemand für dich.
Ich ging durch die Tür und stand vor einem Offizier. Ich stand sofort stramm und salutierte. Er grüßte zurück, aber mit einem breiten Grinsen. Dann sagte er: Hab ich dir nicht gesagt, Vater, daß Peter einen sauberen Soldaten abgibt. Da hab ich ihn erkannt, den jungen Gertie Grindal, der in der Uniform eines Subalternoffiziers der Wyfies aussah, wie für die Parade herausgeputzt. Was für eine Lilie er war mit seinen Stiefeln, die wie Kolbenöl glänzten, und die Sterne auf seinen Schultern ragten hoch wie Johnny Cadgers Furunkel. Ich hatte ihn seit jenem letzten Sommer vor dem Krieg nicht mehr gesehen, als er fünfzehn war und sein Vater ihn in den Ferien in die Fabrik gesteckt hatte, zum Teil, weil er was lernen sollte, zum Teil als Strafe, weil er in seiner vornehmen Schule so schlechte Zeugnisse bekommen hatte. Ich habe mich damals um ihn gekümmert und bald festgestellt, daß er noch genauso verzärtelt wie als kleiner Steppke war und mit mir durch die Wälder streifte. Immer große Klappe, wenn ihm die Sonne auf den Rücken schien, aber beim ersten Anzeichen von Regen hat er gleich Schutz gesucht. Zu Hause bei seiner Mutter, oder meiner, wußte er, daß er das Sagen hatte. Aber draußen im Wald lag die Sache anders. Dort hatte ich die Führung, und ich konnte mich jederzeit schadlos halten, wenn mir danach zumute war. Wie als ich ihm den alten Eiskeller gezeigt und gesagt habe, dort würde der große weiße Wurm leben. Dann hab ich laut geschrien: Aufgepaßt! Da kommt er! Und bin ohne ihn weggerannt. Er hat so sehr geheult, daß er zum Tee nichts essen konnte. Mama hat mir dafür die Ohren langgezogen, aber ich war der Meinung, daß es die Sache wert gewesen war.
Nun sagte er:
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