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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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weiß, ich hätte etwas sagen wollen, aber ich habe es nicht getan. Und ich fühle mich nicht schuldig.
    Ich meine, warum sollte es mich belasten, daß ich nicht versucht habe, dem alten Grindal zu sagen, wie es da draußen wirklich ist, wenn ich noch nicht einmal in der Lage war, die Worte zu finden, meiner eigenen geliebten Frau zu erzählen, was ich empfinde?
     
    »Peter, es reicht! Wenn ich mein Leben schon mit Hamlets Geist verbringen muß, hab ich auch ein Recht, die Monologe zu belauschen.«
    Er hatte sie nicht die Treppe herunterkommen hören. Nun kam sie barfuß in die Küche, ließ sich auf einen Stuhl auf der anderen Seite des Tischs fallen und befühlte die Teekanne mit der linken Hand, um zu sehen, wie warm sie noch war.
    »Ich mach dir frischen«, erbot er sich.
    »Nein, der reicht völlig.«
    Sie zog seinen Becher zu sich, füllte ihn und schlürfte die lauwarme Flüssigkeit.
    »Es war der Geist von Hamlets Vater, der als Gespenst umging«, stellte Peter klar.
    »Der ebenfalls Hamlet hieß. Woran willst du also Rache nehmen?«
    Er überlegte. War das der richtige Ton? Sehr englisch, leicht und rational? Wie lautete die Alternative? Südländisch gefühlsbetont? Slawisch bekennerisch? Skandinavisch selbstmörderisch?
    Er sagte: »Das militärische und politische Establishment Großbritanniens würden es für den Anfang erst einmal tun.«
    Dann berichtete er ihr klar, deutlich und ohne Gefühlsduselei, was Studholme ihm erzählt hatte.
    Er konnte sehen, daß die Nachricht sie eher verdutzte als vernichtete.
    »Wie kann Adas Vater aber Peter Pascoe geheißen haben? Es ergibt überhaupt keinen Sinn. Es muß ein Irrtum sein, der durch die zufällig gleichen Namen entstanden ist.«
    »Und die übereinstimmenden Gesichter? Nein, er ist es, daran habe ich gar keinen Zweifel mehr. Und ich werde feststellen, wie es dazu gekommen ist.«
    »Wieso dein Urgroßvater mütterlicherseits deinen Namen trägt, meinst du?«
    »Nein, wie es dazu gekommen ist, daß mein Urgroßvater an einen Pfosten gebunden wurde und von seinen eigenen Landsleuten mit Blei gespickt wurde.«
    »Peter, das ist schrecklich, aber es ist alles so lange her«, sagte sie sanft. »Ich weiß, daß Rache ein Gericht ist, das man am besten kalt verzehrt, und den ganzen Quatsch, aber das ist ja eine so alte Sache, daß selbst die Salmonellen schon wieder Salmonellen bekommen haben! Lohnt es sich wirklich, für so was die Furien loszulassen?«
    Er sagte, noch immer um einen leichten Ton bemüht: »Vielleicht haben sie sich ja schon erhoben und sind schon unterwegs.«
    Sie überlegte und sagte dann: »Du willst sagen, hinter dir her, nicht wahr?«
    »Ja? Ja, vielleicht hast du recht«, sagte er und schaffte so eben ein Lächeln.
    »Aber warum? Ich meine, was hast du denn getan? Was hat es denn mit dem Tod deines Urgroßvaters auf sich, daß du dich schuldig fühlst? Denk doch mal darüber nach. Wie viele Millionen sind im Großen Krieg gestorben? Sieben? Acht? Mehr? Ich bezweifle, daß es in ganz Großbritannien, Frankreich oder Deutschland eine Menschenseele gibt, die damals nicht einen Verwandten verloren hat. Wie kann es also sein, daß ausgerechnet du dazu auserwählt bist, die Schuld zu tragen?«
    Er hatte das Gefühl, am Rand eines gefährlichen Territoriums zu stehen, das er erst alleine erforschen mußte, bevor er die Menschen, die er liebte, einlud, es zu betreten. Aber Ellie hatte mehr als Schweigen verdient. Eine Menge mehr.
    Er sagte behutsam: »Schau, ich bin noch nicht mit mir selbst im reinen, aber es hat mit meiner Familie zu tun … Wie du selbst immer wieder bemerkt hast, sind wir im großen und ganzen eine ziemlich hoffnungslose Bande …«
    »Nun mach mal halblang, Peter!« protestierte sie. »Die Nächsten und Liebsten des Ehepartners zu beschimpfen ist ein alter und von der Gesellschaft abgesegneter Brauch beim Ehestreit.«
    »Das ist richtig. Nur daß in diesem Fall keiner meiner Nächsten auch nur annähernd meine Liebsten waren. Es gab Zeiten … noch gar nicht so lange her … da habe ich phantasiert, daß ich entdecken würde, ein Wechselbalg zu sein und eine völlig andere Familie zu haben, mit der ich neu anfangen könnte, nur diesmal würde auch ich etwas zu sagen haben, nicht nur sie.«
    »Aber das denkt doch jeder«, sagte sie, seinen Einwand abwertend.
    »Wenn man schon über dreißig ist?« fragte er, nur halb spöttisch. »Ich hab das noch nicht so ganz gelöst, aber es hat etwas mit Gerechtigkeit zu tun, ja, aber

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