Der Wald des Vergessens

lächelnd. »Auf Wiedersehen, Mr. Pascoe.«
    Sie gaben sich die Hand, und Pascoe stieg in sein Auto.
    »Noch etwas«, sagte er durch die nach unten gedrehte Scheibe. »Ich habe über den Namen Ihrer Firma gerätselt. Mir fiel nichts anderes ein als eine Verbindung mit der Farbe Weiß. Sie wissen schon, wie in Albino.«
    Grinsend sagte Batty: »Es ist sowohl prosaischer als auch weniger prosaisch. Beim geschäftlichen Zusammenschluß der beiden Seiten der Familie zwischen den Kriegen, oder vielmehr, als der alte Arthur erkannte, daß die Zukunft in Wirklichkeit in Arzneimitteln und nicht in Wollstoffen lag, gab er der Firma wie jeder erdverbundene Mensch in Yorkshire ihre Namen, also Grindal und Batty, wobei er sich natürlich an erste Stelle setzte. Aber in den 1950ern, als wir an die Börse gingen und der Verkauf so wichtig wie die Produktion wurde, wenn wir mit den Großen in Wettbewerb treten wollten, waren einige Familienmitglieder der Meinung, daß wir einen etwas pfiffigeren Namen brauchten.«
    Er machte eine Pause, als hätten seine Worte Bilder jener fernen Tage vor seinen Augen erstehen lassen.
    »Zu den ›einigen‹ gehörten Sie?« half Pascoe nach.
    »Ich war Anfang zwanzig und hatte gerade meine Ausbildung in den Vereinigten Staaten abgeschlossen. In der Tat, ich war absolut für Veränderungen«, gab Batty zu. »Nicht, daß man groß auf mich hörte, damals. Bloß ein Milchbart, hieß es. Mein Vater führte das Unternehmen mit Onkel Bett, das ist der Vater meiner Frau, Herbert Grindal. Die beiden hatten nicht viel im Sinn mit Veränderungen. Paps, weil er von Natur aus vorsichtig war, und Onkel Bett, weil er sein ganzes Leben unter dem Pantoffel des alten Arthur gestanden hatte, und wenig Gelegenheit gehabt hatte, eigene Gedanken zu entwickeln.«
    »Des alten Arthur?« fragte Pascoe, sich noch immer nicht sicher, warum ein Mann, der den Resten der Toten nicht viel Aufmerksamkeit schenkte, so eifrig bemüht war, ihn in die Geschichte seiner Familie einzuweihen. »Er muß aber sehr alt gewesen sein?«
    »Über neunzig«, sagte Batty. »Bis er schließlich ’48 an seinem 90. Geburtstag in den Ruhestand ging, aber er ließ noch immer die Peitsche knallen, wenn es ihn überkam. Ganz überraschend war er Feuer und Flamme für eine Namensänderung, hauptsächlich weil Janet, die sein Augapfel war, eine großartige Idee hatte. So schildert sie die Ereignisse, aber nachdem ihr Großvater erst einmal seine Zustimmung gegeben hatte, zogen alle an einem Strang. Es war einfach eine gute Idee.«
    »Sie meinen ALBA [31] ?« sagte Pascoe, der noch immer nicht wußte, woran er war.
    »Grind ALBA tty«, sagte Batty und betonte die Silben, auf die es ankam. »Kapiert? Und Arthur war noch immer mit von der Partie, selbst als Janet, die damals erst siebzehn und so richtig romantisch war, verkündete, daß Alba auch ein mittelalterliches Lied sei, das im Morgengrauen gesungen wurde. ›Zwei für den Preis von einem‹, sagte er. ›Die alten Teilhaber, die neue Morgendämmerung. Praktisch oder poetisch, wie es beliebt.‹«
    Pascoe blickte gen Westen, wo die Novembersonne einen blassen Hof um die in den Himmel ragende Kuppel eines Lagertanks bildete.
    An einem Sommermorgen, wenn die Sonne hinter dem Maisterhouse aufging, mochte das natürlich alles ganz anders aussehen. Eine neue Morgendämmerung, ein neuer Tag …
     
    … ich sah zu, wie die Morgenröte den Himmel hinter Sanctuary Wood hell färbte. So formuliert klingt es hübsch und romantisch. Nur, daß der Himmel vor Regenwolken schwarz war. Und der Wald nicht viel mehr als ein Stoppelfeld aus Baumstümpfen, die von den Explosionen übriggeblieben sind. Und daß uns nach dieser Morgendämmerung ein neuer großer Vorstoß erwartete.
    Sechs verdammte Wochen zu spät, Pete, sagte Jammy. Das hätte sofort nach Messines passieren müssen, als die Jerrys noch im Rückzug waren und das Wetter gut. Komisch, wie an der Front alles so offensichtlich ist und die Etappenärsche es einfach nicht sehen wollen.
    Wir gehörten nicht zur ersten Welle, Gott sei Dank. Deshalb ist Zeit, zu schreiben. Das Problem ist, man hat dann auch mehr Zeit, nachzudenken und durchzudrehen. Ich würde gern sagen, daß ich mir mehr Sorgen um Gertie mache als um mich, es stimmt aber nicht. Dennoch, ich mach mir Sorgen um ihn. Die Jungs mögen ihn, seit er die Wachen inspizierte und Chuffy Chandler dabei erwischte, wie er sein Vordergeschirr polierte. Ich war auch da und dachte, weiß Gott, was Chuffy