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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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Chandler nun blüht. Aber Gertie sagte nur zum Unteroffizier: Was immer Sie diesem Mann ins Essen tun, sorgen Sie dafür, daß ich auch was davon abkriege!
    Das kam bei den Jungs an, und ich muß ihm lassen, er weiß, wie man mit ihnen redet. Freundlich und gleichzeitig fest, wie ein richtiger Offizier. Mir wird immer ganz anders, wenn er so was von sich gibt. Manchmal kommt es mir so vor, als würde er Stellen aus einem Schauspiel aufsagen, was nicht so leicht sein wird, wenn der Vorhang wirklich aufgeht.
     
    Fast eine ganze Woche keine Gelegenheit zu schreiben. Und die ersten vier Tage hat es geregnet und geregnet und geregnet, und zwar ohne Unterlaß. Ich wette, in den Zeitungen daheim hat man einen großen Sieg gefeiert, aber wir sind noch immer hier im Wald von Sanctuary, allerdings am anderen Ende, also haben wir doch etwas Fortschritt gemacht. Anfangs lief alles wie am Schnürchen. Als wir uns schließlich in Bewegung setzten, hatte der erste Angriff die Deutschen aus ihren Stellungen am östlichen Waldrand vertrieben. Gertie war so scharf darauf, dort hinzukommen, daß wir unsere Mühe hatten, mit ihm Schritt zu halten. Ich wußte von Jammy, daß der Befehl für das Bataillon lautete, links in Stellung zu gehen, um die Linie zwischen den Wäldern Sanctuary und Chateau zu halten, die ziemlich schnell genommen worden war. Nur daß die Erde so aufgewühlt war, dazu der Rauch und der Regen und Gertie, der wie ein Hengst losstürmte, der die Mähren gewittert hat, daß wir den Wald vor unserer Verstärkung zur Rechten durchquerten und auf der falschen Seite an der Nordostecke herauskamen. Gertie wedelte mit dem linken Arm und sagte: Da liegt Chateau, und fing an, uns loszuschicken, damit wir unsere Stellungen besetzten. Ich hab mir nichts dabei gedacht, aber Jammy, dessen Orientierungssinn so gut ist, daß er eine Kneipe auch mitten in der Wüste findet, sagt: Nein, Sir, das ist Glencorse. Und Gertie brüllt: Unsinn, Feldwebel, und macht sich auf den Weg zu Abschnitt 1. Jammy befiehlt dem Rest des Zugs, stehenzubleiben, aber ich bleibe Gertie auf den Fersen, der gerade die Straße nach Menin erreicht hat, als im gegenüberliegenden Wald die Hölle losbricht. Das ist das Ende von Abschnitt 1. Einfach so. Erst sieht man sie. Dann sieht man sie nicht mehr. Und Gertie, wunderbarerweise unverletzt, steht da wie ein Huhn mit Schnabelsperre. Mund weit aufgerissen, und nichts kommt raus. Ich bin als erster bei ihm, versetze ihm einen Schlag, der nicht von schlechten Eltern ist, und höre die Kugeln der Hunnen über unseren Köpfen pfeifen. Dann ist Jammy bei mir, und zusammen gelingt es uns, Gertie wie einen Sack Kohle zurückzuschleppen.
    Dafür hätte sich Gertie von hoch oben wahrlich einen Tritt in den Arsch holen können. Nur an dem Tag wurde so viel Porzellan zerdeppert, daß der Schwachsinn, den er verzapft hatte, gar nicht auffiel. Ein ganzes Bataillon erhielt die Falschmeldung, Glencorse sei genommen worden, und diesmal warteten die Hunnen ab, bis Mann und Maus die Straße überquert hatten, bevor sie die Falle zuschnappen ließen.
    So hatte Gertie also nichts weiter getan, als ein paar von uns ins Jenseits zu befördern, und dafür hat ihn niemand sonderlich getadelt. Aber ich hatte sein Gesicht gesehen, als es passierte, und ich sagte zu Jammy: Da haben wir ein echtes Problem, Feldwebel. Und er wandte mir sein großes steinernes Gesicht zu und sagte: Du hast sein Leben gerettet, Junge. Also würde ich sagen, du bist jetzt für ihn verantwortlich – oder? Oder?
     
    »Mr. Pascoe. Hallo! Ist alles in Ordnung?«
    Pascoe sah in das verdutzte Gesicht von Thomas Batty.
    »Tut mir leid«, sagte er. »Ich habe gerade gedacht, es sieht nach Regen aus. Auf Wiedersehen.«
    Und er fuhr in Richtung Sonnenuntergang.

Acht
    S ie fanden Wendy Walker auf der Intensivstation.
    Die Prognose war nicht gut.
    »Genaugenommen«, erläuterte der Arzt, der für Dalziels alterndes Auge wie ein verkleideter Pennäler aussah, »ist es ein Wunder, daß sie überhaupt noch lebt.«
    Man hatte sie in einem Entwässerungsgraben neben Ludd Lane gefunden, einer schmalen Landstraße, die parallel zur Ringstraße im Westen der Universität verlief. Es sah danach aus, als sei Wendy Walker mit einer solchen Wucht getroffen worden, daß sie in den Graben geflogen war, sich den Kopf an einem Stein gestoßen hatte und mit dem Gesicht fünfzehn Zentimeter unter der Wasseroberfläche liegengeblieben war. Sie war nicht ertrunken, weil das Wasser

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