Der Wald des Vergessens
Frieden einkehren. Und ich wäre froh, wenn ich sie nur noch von hinten sehen würde. Und nun ist das vielleicht der Fall.«
Ihre Augen waren feucht geworden. Dalziel sagte: »Nein, Mädel, du hast wahrscheinlich schon genug Gründe, um dich schuldig zu fühlen, ohne daß du dir auch noch diesen Schuh anziehst. Das Ganze hat nichts mit dir zu tun, und das weißt du auch. Aber interessant ist es dennoch. Neulich abends, in Wanwood House. Als ich dort eintraf, hast du das große Theater gemacht, und Walker hätte nicht zuvorkommender sein können.«
»Vielleicht nichts weiter als eine natürliche Reaktion auf deine starke Persönlichkeit« sagte Cap.
»Dem würde ich ja nicht widersprechen, nur daß sie ihre Aussage schon bei George Headingley gemacht hatte, und der hat soviel Persönlichkeit wie eine Parkbank.«
»Gütiger Gott, kannst du denn nicht mal einen Augenblick aufhören, Polizist zu sein?« sagte sie mit einer jäh aufflammenden Irritation, die ihm noch einmal vor Augen führte, wie sehr die Sache mit Wendy Walker sie erschüttert hatte. Es war an der Zeit, sie aufzuheitern.
»Gerade hast du dich darüber aufgeregt, daß ich nicht tue, wofür ich bezahlt werde«, beschwerte er sich. »Ich kann damit leben, wenn eine Frau inkonsequent ist, sie muß es nur immer sein.«
Sie sah ihn liebevoll an und sagte: »Andy, was soll ich nur mit dir machen?«
»Alles, was du willst, solange dabei kein Blut fließt«, sagte Andy Dalziel. »Aber nicht hier. Bettenknappheit, hat man mir gesagt. Ich ruf dich später an.«
»Ich bleibe noch eine Weile hier«, sagte Cap. »Wohin gehst du?«
»Ich hab noch nichts zu Mittag gekriegt, erinnerst du dich? Ich geh wahrscheinlich in den Schwarzen Bullen und genehmige mir ein großes Blondes und eine richtige Schweinepastete.«
Sie lachte über seine Gabe, in einer Krise Witze über das Essen zu machen, und bevor er sich zum Gehen wenden konnte, gab sie ihm einen deftigen Abschiedskuß, an den er noch fünfzehn Minuten später mit Vergnügen zurückdachte, als er im Salon des Schwarzen Bullen seine Zähne in ein saftiges Stück Fleischpastete grub. Er dachte aber auch mit einem gewissen Unbehagen an die Widersprüche in ihrer Einstellung zu Wendy Walker.
Davon abgesehen, daß er Dennis Seymour beauftragen konnte, ein Auge auf die Ermittlungen der Verkehrspolizei zu haben, konnte er zum gegenwärtigen Zeitpunkt wenig tun, um behilflich zu sein oder die Sache voranzutreiben. Falls sich das Mädel erholte, würde ihre Aussage sie vielleicht weiterbringen. Wenn nicht, wurde aus dem Fall automatisch Körperverletzung mit Todesfolge, und niemand würde es ungewöhnlich finden, wenn sich der Chef der Kripo damit befaßte.
Gerade als er sein zweites großes Glas ausgetrunken hatte, ging die Tür auf, und Wield kam herein.
»Wie geht es dir?« fragte Dalziel leutselig. »Auf der Suche nach mir?«
»Auf der Suche nach einem Bissen zu Mittag, wenn ich ehrlich sein soll«, sagte Wield.
»Dann kannst du neben deinem Essen gleich noch ein Bier mitbestellen«, sagte der Dicke großherzig. »Und danach erzählst du mir, wie du die langen, ermüdenden Stunden verbracht hast, seit wir uns das letzte Mal gesehen haben.«
Er ist mit sich zufrieden, dachte Wield. Irgend etwas scheint so zu laufen, wie er es sich wünscht.
Er stellte die Gläser auf den Tisch und setzte sich.
»Ich habe heute morgen mit Jimmy Howard gesprochen«, begann er.
»Ach ja? Und was hatte er dir zu beichten? Daß TecSec in Wirklichkeit eine Tarnfirma für den Mädchenhandel ist?«
Obwohl Dalziel jederzeit bereit war, seine Untergebenen vor anderen in den höchsten Tönen zu loben, hatte er festgestellt, daß ein Anflug spöttischer Skepsis sie ausgezeichnet anregte, wenn sie dabei waren, eigene originelle Gedanken zu entwickeln.
»Ihn danach zu fragen, habe ich doch glatt vergessen, Sir«, sagte Wield. »Nein, viel erzählt hat er mir nicht, außer, daß ihm nichts Faules aufgefallen ist, seit er bei der Firma angefangen hat, aber das war erst im September. Bei Licht besehen hat er mir genau dreimal erzählt, daß er erst seit September dort arbeitet.«
»Und was hat das zu bedeuten?«
»Vielleicht nichts weiter, als daß er erst seit September dort arbeitet«, sagte Wield. »Dann hab ich ein klein wenig Druck gemacht, und er hat versprochen, sich bei uns zu melden, falls ihm etwas auffällt, was ihm Sorgen bereitet.«
»Und glaubst du, daß er das wirklich tut?«
»Es könnte sein, daß er gleich zu seinem
Weitere Kostenlose Bücher