Der Wald des Vergessens
Unglücksfall. Ob eine Anklage wegen Mordes aufrechtzuerhalten wäre, bin ich mir nicht sicher …«
»Er ist gestorben, oder nicht? Und das, weil diese Wahnsinnigen einen Anschlag auf das Unternehmen verübt haben. Wie nennen Sie denn so etwas? Die Leute sind gemeingefährlich und gehören unter Ausschöpfung aller rechtlichen Mittel verfolgt.«
»Heißt das, daß Sie entschlossen sind, Anzeige wegen Hausfriedensbruch zu erstatten?« fragte Pascoe und versuchte, sich Dalziel vorzustellen, wenn er hörte, daß seine Herzallerliebste, wenn sie es denn wirklich war, vor Gericht geschleppt würde.
»Was? Nein, wahrscheinlich nicht«, sagte Batty.
»Ach nein? Ich habe gedacht, Ihr Sohn, Dr. Batty, wolle …«
»David hat die Forschung unter sich, und ich habe das letzte Wort in allen Fragen der Firmenpolitik«, fiel Batty ihm scharf ins Wort. »Bei dem heutigen Zustand der Gerichte wäre eine Anzeige Zeit- und Geldvergeudung. Alles, was wir davon hätten, wäre negative Publicity. Und die kriegen wir durch die Knochen schon zur Genüge, da lechzen wir nicht nach mehr.«
Irgendwie haperte es hier mit der Logik. Oder vielleicht gehörte es grundsätzlich dazu, drei verschiedene Standpunkte auf einmal zu vertreten, wenn man ein Industriekapitän sein wollte.
Pascoe sagte: »Ja, die Knochen. Wenn ich einen Blick auf die Dokumente werfen könnte, die mit dem Erwerb von Wanwood House zu tun haben …«
»An welcher Zeit sind Sie interessiert?« [30]
»Wir sind uns noch nicht sicher, aber wie ich bereits am Telefon erläutert habe, steht fest, daß die Leiche nicht auf dem Gelände bestattet wurde, seit ALBA sich dort aufhält.«
»Ja, das habe ich verstanden. Ich habe Fotokopien der relevanten Abschnitte der Übertragung machen lassen. Wie Sie sehen werden, war Wanwood House vorher als Privatkrankenhaus oder Klinik oder so etwas in der Art genutzt worden. Deshalb war das Gebäude für uns attraktiv. Ich will damit sagen, daß uns dadurch erspart blieb, ein Wohnhaus komplett umzubauen, damit wir es für unsere Zwecke überhaupt nutzen konnten. Auch die Lage, nicht zu weit von der Hauptverwaltung, doch unbekannt genug, zumindest haben wir das gehofft, um der Aufmerksamkeit der durchgeknallten Protestler zu entgehen. Es hat allerdings nicht lange gedauert, bis sie uns aufgestöbert hatten. Niemand kann heutzutage den Mund halten, und es hapert an Loyalität.«
»Ja. Ich entnehme der Eigentumsübertragung, daß Sie mit einem Konkursverwalter verhandelt haben. Wie hat es ein Privatkrankenhaus in diesen Zeiten geschafft, pleite zu gehen?«
»Gesundheit ist ein Geschäft wie jedes andere auch, Mr. Pascoe. Wachstum birgt ähnliche Gefahren wie eine Rezession. Wenn Sie zu groß werden und sich vor Ihren Feinden eine Blöße geben, Sie wären erstaunt, wie schnell die bei der Sache sind und Sie völlig ausziehen. Ein Krankenhaus ist natürlich ein Ort, wo man erwarten würde, ein paar alte Knochen zu finden. Könnte es nicht sein, daß man sich einfach nicht an die Vorschriften zur Entsorgung amputierter Gliedmaßen gehalten hat?«
Pascoe dachte über die makabre Vermutung nach, beziehungsweise überlegte, ob Batty sie ernst gemeint haben könnte.
Er sagte: »Wenn man nicht gerade eine Operation durchgeführt hat, die die Entfernung eines ganzen Schädels erforderlich machte, würde ich das eher bezweifeln. Wie lange war Wanwood ein Krankenhaus, wissen Sie das?«
»Ach, an die siebzig oder achtzig Jahre«, sagte Batty unbestimmt. »Eine verteufelt lange Zeit, das steht jedenfalls fest. Hilft Ihnen das weiter?«
»Nicht viel«, sagte Pascoe. »Ein Unternehmen im Familienbesitz ist eine Sache, da hat man eine gewisse Chance, Berichte über Vermißte oder Gerüchte über Familienstreitereien zu überprüfen. Aber man muß sich vor Augen halten, wie viele Menschen, von Patienten und deren Verwandten bis hin zum Personal, über einen so langen Zeitraum mit einem Krankenhaus in Berührung kommen, selbst wenn es nur klein ist. Dazu kommt, daß die Überreste mit dem, was im Krankenhaus vorging, gar nichts zu tun haben brauchen. Es könnte sich ja auch jemand einfach gedacht haben, dieser Wald ist genau richtig, um eine Leiche loszuwerden.«
»Klingt nicht sehr vielversprechend.«
»Nicht, solange wir keine präzise Datierung vorliegen haben. Oder, wenn das nicht gelingt, einen Stichtag, der vor sechzig, vorzugsweise siebzig Jahren liegt. Dann können wir den Fall in die Schublade tun, selbst wenn wir nachweisen können,
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