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Der Wald des Vergessens

Der Wald des Vergessens

Titel: Der Wald des Vergessens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Reginald Hill
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aufheitern.«
    Er legte den Hörer auf. Das Telefon läutete sofort wieder.
    »Seymour, Sir. Wir haben gerade von der Spurensicherung eine Nachricht zu Walkers Fahrrad erhalten. Es gibt keine Lackreste oder andere Spuren des Fahrzeugs, mit dem sie Kontakt hatte. Das Vorderrad hat jedoch einen Schaden, der davon herrühren könnte, daß es von einem Auto überrollt wurde.«
    »Großartig. Das bringt uns gewaltig weiter.«
    »Ja, Sir. Ich meine, nein. Ich meine, vielleicht … Sehen Sie, Sir, die Sache ist doch die, wenn das Auto tatsächlich über das Fahrrad gefahren ist, wie kommt es dann, daß wir es in dem Entwässerungsgraben zehn Meter von der Frau entfernt finden?«
    »Und wenn der Mistkerl, der sie angefahren hat, es dort hingeschleppt hat, damit keiner, der vorbeifährt, den Unfall bemerkt?« schlug Dalziel vor.
    »Ja, Sir. Nur, daß es, wie ich schon gesagt habe, keine Spuren auf der Straße gibt, daß ein Auto stark gebremst hat. Und wenn das Fahrzeug das Fahrrad tatsächlich angefahren hätte, wäre es auf der Fahrbahn entlanggezogen worden und hätte sehr deutliche Spuren auf dem Asphalt hinterlassen.«
    »Worauf willst du hinaus, Junge?«
    »Tja, vielleicht wurde Wendy Walker ja irgendwo anders angefahren, und dann dachte der Täter, es wäre besser, man findet sie nicht unmittelbar vor seiner Haustür, sagen wir. Oder …«
    »Heraus mit der Sprache, Junge.«
    »Oder sie wurde überhaupt nicht angefahren. Jemand wollte nur, daß es danach aussieht.«

Elf
    E ine Weile gelang es Peter Pascoe auf der Rückfahrt von Kirkton, vor dem Regen herzufahren. Aber immer wieder füllten schmutziggraue Wolken seinen Rückspiegel, und plötzlich waren sie über ihm und hatten ihn überholt. Riesige, fettige Tropfen zerplatzten wie Insekten auf seiner Windschutzscheibe. Die Schnellstraße, auf der er fuhr, war sehr befahren, und es dauerte nicht lange und er hatte das Gefühl, im Bett eines schmutzigen Kanals entlangzufahren, der vom Abfall einer überkonsumierenden Gesellschaft verschmutzt war.
    Bei der ersten sich bietenden Gelegenheit bog er auf eine Landstraße ab, die bei gutem Wetter wegen der freundlichen Hügellandschaft, durch die sie sich wand, zu seinen Lieblingsstrecken gehörte. Doch heute bestand nur wenig Hoffnung, die Aussicht zu genießen. Ja, die Wolken wurden nun schwarz, als hätte sein Fluchtversuch sie provoziert, und der Regen brach mit einer solchen Heftigkeit genau über ihm aus ihnen hervor, daß er kaum die Straße sah, von der Landschaft ganz zu schweigen. Er verlangsamte sein Tempo auf unter vierzig, hätte aber dennoch eine scharfe Kurve beinahe nicht geschafft. Er fand, daß es reichte, fuhr seitlich auf einen Feldweg und kam im Schutz einer kleinen Baumgruppe zum Halten.
    Er stellte sein Funkgerät auf Empfang, aber der Regen führte zu unangenehmen Knatter- und Pfeifgeräuschen, und er stellte es bald wieder ab. Er war merkwürdig verstört, fiel ihm auf, von seiner Begegnung mit den fürchterlichen Quigginsfrauen. Nicht nur von den Beschimpfungen, mit denen die Alte seine Familie überschüttet hatte, sondern auch von dem Gefühl, das sie ihm von der beklemmenden Enge des Lebens in einem Dorf wie Kirkton vor nur zwei Generationen vermittelt hatten. Vielleicht war es ja noch immer so! Und da lagen seine Wurzeln, da kam er her.
    Er wünschte sich fast, daß er Adas Asche einfach vor Ort verstreut hätte, als er entdeckte, daß die Kasernen abgerissen worden waren, und nach Hause gefahren wäre. Was machte es schon, wo die sterblichen Überreste ruhten? Sollte ich sterben, denkt nur das von mir: daß es ein Eckchen auf ’nem Kurzzeitparkplatz gibt, das für immer Ada ist! [36]
    Es gelang ihm, über die Parodie zu lächeln, aber das änderte nichts an seiner Lage. Er war in das Museum gegangen, hatte den Major kennengelernt, und nun steckte er in der Falle, denn das, was er erfahren hatte, konnte er nicht einfach ignorieren.
    Der Regen machte keine Anstalten nachzulassen. Schade, daß er keine Zeitung gekauft hatte. Aber in seinem Handschuhfach hatte er etwas zu lesen, und das paßte durchaus. Es war der Band über den Ersten Weltkrieg, den Major Studholme ihm geliehen hatte. Er öffnete das Buch und wandte sich dem Kapitel über Passchendaele zu.
    Die knappe, wissenschaftliche Darstellung konzentrierte sich darauf, viele Einzelheiten zu bringen, und weniger darauf, Schlußfolgerungen zu ziehen. Nicht, daß man das als Mangel empfand, denn die simplen Tatsachen sprachen für sich

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