Der Wald - ein Nachruf
Aufsicht und führen ein freies Leben. Erst im Herbst, vor den großen Schneefällen, sammeln die Besitzer ihr Vieh wieder ein und bringen es in den heimischen Stall. Im gesamten Land leben etwa 150 Braunbären. Das ist sehr wenig, bei dieser Art der Schafhaltung aber dennoch ein Problem. Denn der Kollege berichtete, dass sich die Tiere auf Schafeuter spezialisiert hätten. Dazu würden Schafe mit einem Tatzenhieb betäubt und anschließend die Euter herausgebissen. Zurück blieben schwer verletzte, völlig verstörte Tiere. Die Wut der Bauern ist verständlich und dennoch kann man nur den Kopf über so viel Unverstand schütteln. Wenn die Besitzer schon nicht bereit sind, sich um ihr Vieh zu kümmern, warum setzen sie dann keine Herdenschutzhunde ein? Diese Hunde, etwa der Kuvasz, wachsen mit den Schafen auf und halten sich schließlich selber für eines. Wird nun die Herde von einem Raubtier angegriffen, so verteidigt der Hund seine Familie und schlägt die Angreifer in die Flucht. Einen einzigen Nachteil hat die Methode – sie macht ein wenig Arbeit, denn der Hund muss im Gegensatz zu den Pflanzenfressern gefüttert werden. Ähnliche Schwierigkeiten wie in Norwegen gibt es auch im Alpenraum, weswegen dort auftauchende Braunbären schnell als Problembären angesehen werden.
Wölfe lassen sich in Bezug auf Haustiere ebenfalls gern einladen. Daher wurde den ersten Rückkehrern in Ostdeutschland ein Angebot gemacht, das sie nicht ablehnen konnten. Denn Schafe werden dort häufig schlecht eingezäunt oder sogar getüdert. Dabei wird ein Pflock in die Wiese gerammt, an dem eine Leine befestigt wird. Das angebundene Weidetier kann nun immer schön im Kreis herumlaufen und das Gras fressen. Teure Zäune kann man sich so sparen, aber in Wolfsgebieten ist so eine Haltung grob fahrlässig. Was soll ein Raubtier denn machen, wenn ihm die Beute unentrinnbar festgebunden auf dem Präsentierteller gereicht wird?
Die gerissenen Schafe wurden gleich zur umfassenden Gefahr hochstilisiert. Was wäre, wenn die grauen Jäger eines Tages Kinder töten würden? So kann man in der Bevölkerung Ängste vor Tieren schüren, die nichts mehr als den Menschen fürchten. Auch wenn Sie wochenlang in Wolfsgebieten unterwegs wären, gelänge es Ihnen kaum, wenigstens einen flüchtigen Blick auf eines der Tiere zu erhaschen. Denn wir sind bis heute ihre größten Feinde.
Der Letzte im Bund, der Luchs, wird eher akzeptiert. Er wurde an zahlreichen Stellen in Mitteleuropa wieder eingebürgert, sodass er im Alpenraum und den meisten Mittelgebirgen anzutreffen ist. Der Luchs ist Sympathieträger von Nationalparks, etwa im Harz, und breitet sich nur sehr langsam aus. Dennoch tötet auch er hin und wieder Haustiere. In der Schweiz gibt es hierfür eine pragmatische Lösung. Luchse, die sich auf Haustiere spezialisieren, dürfen geschossen werden. Das kommt nur in Ausnahmefällen vor, erhöht aber zusammen mit Entschädigungszahlungen die Akzeptanz unter Landwirten. Trotzdem ereilt die Raubkatze in vielen Fällen das gleiche Schicksal wie Wolf und Bär. So ist ein hoffnungsvolles Vorkommen im Süden von Rheinland-Pfalz nahezu erloschen. Und das nicht, weil Jagdkreise Ängste in der Bevölkerung geschürt hätten. Da gibt es viel einfachere Methoden, die Konkurrenz loszuwerden. Wer kann die Jäger schon kontrollieren, wenn sie nachts auf ihren Hochsitzen einsam im Wald Ausschau halten? Fällt ein Schuss, so kann er auch Rehen oder Wildschweinen gegolten haben. Den Kadaver entsorgt man unter einem Wurzelteller eines umgestürzten Baums, und so erfährt keine Menschenseele von diesem Frevel. Ich bin fest davon überzeugt, dass eine hohe Dunkelziffer an solch strafbaren Abschüssen für die sehr langsame Ausbreitung von Luchs und Wolf verantwortlich ist. Nur besonders ungeschickte Waidmänner fallen auf, beispielsweise der Rentner in Rheinland-Pfalz. Vielleicht fürchten die Jäger, dass sie eines Tages überflüssig werden könnten, wenn die wilden Tiere das Geschäft wieder selber regeln. Ich persönlich hätte nichts dagegen.
Wir zahlen alle
Nicht nur die Wälder bluten durch den Jagdbetrieb, sondern wir alle. Ganz wörtlich zu nehmen ist dies bei einigen Autofahrern, die schwere Unfälle durch Wildkollisionen erleiden. Besonders gefährlich wird es immer dann, wenn große Säugetiere auf die Fahrbahn treten – es sind die alten Bekannten Reh, Hirsch und Wildschwein. Je nach Kombination von Fahrzeuggeschwindigkeit und Tiermasse führt das zu einem
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