Der Wald - ein Nachruf
perfekt. Das gilt allerdings nur für die Touristen. Die Wasserorganismen hingegen leiden unbeobachtet unter der Oberfläche.
Von Natur aus stehen entlang von Wasserläufen Auwälder. Hier kommen ausnahmsweise nicht die Buchen zum Zug, sondern Erlen, Eschen, Eichen oder Pappeln. Und diese Bäume regulieren die Wassertemperatur. Im März, noch vor dem Laubaustrieb, kann die Sonne den Bach erwärmen. Salamanderlarven, Bachflohkrebse und Fische kommen so schnell auf Betriebstemperatur. Im Mai schlagen Erlen und Pappeln aus und nun wird es dunkel. Dadurch wirkt sich die sommerliche Hitze nicht so stark aus und das Wasser bleibt angenehm kühl. Im Herbst lassen die Bäume nach dem Laubfall dann wieder genügend Wärme durch, um den Bachtieren noch ein wenig Aktivität zu ermöglichen. Ein perfektes Zusammenspiel, nur der Mensch ist nicht zufrieden. Und daher werden Bachtäler selbst in Naturschutzgebieten frei gehalten, denn es ist ja viel schöner, im hellen Sonnenschein spazieren zu gehen …
Entlang der Fließgewässer verbleibt oft nur eine einzige Baumreihe, um wenigstens optisch einen Hauch von Natürlichkeit zu produzieren. Als Begründung wird häufig der Schutz seltener Vogelarten angeführt, die ihrerseits auf Wiesen angewiesen sind. 24 Dabei sind diese Arten oft Kulturfolger, sie haben sich dem Menschen und seiner Kultursteppe im Lauf der letzten Jahrtausende angeschlossen. Und nun müssen sie als Alibi herhalten für eine Form des Naturschutzes, der alles schützt, nur eines nicht: die ursprüngliche Natur.
Streng genommen ist es eine Form von Landschaftsgärtnerei, die in solchen Arealen betrieben wird, eine Art Park, der hübsch hergerichtet wird. Da so etwas, wie schon am Beispiel der Lüneburger Heide beschrieben, sehr aufwendig und teuer ist, gibt es noch andere Kategorien, so etwa das Landschaftsschutzgebiet. Dort gibt es wenige Einschränkungen bei der Nutzung, es soll lediglich der ökologische und optische Charakter einer Region erhalten werden. Diese Kategorie scheint ein regelrechter Schlager zu sein und umfasst mittlerweile fast ein Drittel der bundesdeutschen Fläche. Werden in diesen Gebieten das Landschaftsbild und der Naturhaushalt wirklich geschützt? Leider nein – und wie bei allem, was inflationär betrieben wird, entfaltet diese Schutzform nur eine geringe Wirkung. Bauvorhaben und andere Eingriffe werden lediglich etwas strenger geprüft. Wird etwa Wald gerodet oder ein Bach zerstört, so muss ein Ausgleich erfolgen, indem andernorts neue Bäume gepflanzt werden oder eine befestigte Uferböschung renaturiert wird. So gleicht das Schutzgebiet einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme, die Beamte und Gärtner beschäftigt. Gebaut und gebaggert werden darf trotzdem, aber eben mit entsprechenden Zusatzkosten.
Beispielhaft für die Vielzahl weiterer Schutzkategorien sei das Vogelschutzgebiet genannt. In der Europäischen Union gibt es ein Schutzgebietsnetz, das in den letzten Jahren unter der Bezeichnung »Natura 2000« eingerichtet wurde. Auch mein Revier ist von dieser Regelung betroffen, denn es liegt im Vogelschutzgebiet Ahrgebirge, welches immerhin 305 Quadratkilometer umfasst. Ein Großteil sind Wälder, aber auch Wiesen wurden mit aufgenommen. Das Gebiet soll den Lebensraum seltener Vogelarten wie Schwarzspecht, Schwarzstorch oder Hohltaube erhalten. Nach der offiziellen Verkündung des Schutzstatus wartete ich gespannt, welche Bewirtschaftungsrichtlinien nun erlassen würden. Denn um Vögel wirkungsvoll zu schützen, kann man in der Forstwirtschaft einiges machen. So verbietet es sich zum Beispiel, in der Brutzeit Bäume zu fällen. Als Förster kann ich keine Nester in den dichten Baumkronen erkennen und so ist es unvermeidlich, dass etliche Vögel ihre Brutstätten verlieren. Ich versuche jedes Jahr, dies zu vermeiden. Spätestens im März sollte alles Holz, das zum Verkauf ansteht, gefällt und verkauft sein. Doch leider kann ich oft nicht so, wie ich will. Denn viele Sägewerke und Papierfabriken sind mittlerweile dazu übergegangen, sich nur noch für wenige Wochen zu bevorraten. Senken sie ihr Rohstoffwerkslager von einem Fünfmonatsbedarf auf den von nur zwei Monaten, so sparen sie 60 Prozent Lagerkosten ein. Deshalb wird einfach laufend frisches Holz nachgekauft, das die Forstbetriebe auf Abruf fällen müssen. Das Sägewerkslager befindet sich heute streng genommen im Wald, und zwar in Form lebender Bäume. Der Ausdruck »Just in time« klingt in den Ohren vieler Betriebswirte
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