Der Wald - ein Nachruf
wird der Wald immer uniformer, da die Helfer der Förster diese Feinheiten oft nicht erkennen. Und davon abgesehen soll es doch eigentlich das Ziel sein, den Wald naturnah, also ökologischer, zu bewirtschaften. Das würde aber eine Abkehr von der Z-Baum-Methode und eine Hinwendung zum Plenterwald bedeuten. Förster haben jedoch für solch anstrengende Arbeiten häufig weder Zeit noch Lust. Lust? Ja, die fehlt vielfach. Denn jahrelange Neuorganisationen haben einen enormen Frust unter den Waldhütern entstehen lassen. Ständig wird das Revier vergrößert, bekommt man neue Waldstücke dazu, die unbekannt sind. Um sich dort einzuarbeiten, braucht man zwei bis drei Jahre, und dann steht oft schon die nächste Reform vor der Haustür.
Der Personalabbau hat einen weiteren gravierenden Nachteil. Oft werden frei werdende Reviere einfach aufgelöst und auf die Nachbarn verteilt. Damit entfällt die Chance für junge Hochschulabsolventen, eine Stelle zu bekommen. Die Forstverwaltungen vergreisen und das Durchschnittsalter liegt häufig schon jenseits der 55 Jahre. In der Folge fehlen auch die Energie, die Leidenschaft und die Innovationsfreudigkeit junger Menschen. Die Gedanken der älteren Kollegen kreisen vielfach um Beförderungen oder die Pension, nicht aber um die Verbesserungsmöglichkeiten im Wald. Ich persönlich, Jahrgang 1964, gehöre immer noch zu den Jungspunden und merke dabei selbst, wie meine Leistungsfähigkeit im Vergleich zu früher nachgelassen hat. Die Kämpfe mit der Jägerschaft und den Forstverwaltungen, die ich zu Beginn ausgefochten habe, würde ich heute gar nicht mehr aushalten.
Unter allen Wipfeln ist Ruh’
In meinem Revier gibt es mehrere Buchenbestände, in denen die Bäume schon 190 Jahre alt sind. Sie stehen noch, weil es mir leidgetan hatte, sie einfach zu fällen. Also nahm ich sie von den jährlichen Durchforstungen aus und sie wuchsen weiter munter vor sich hin. Über die Jahre stieg der Druck seitens der staatlichen Aufsichtsbehörde, also dem Forstamt, nun doch endlich Hand anzule gen und das Holz zu verkaufen. Und da man als normaler Förster Buchen nicht älter als 160 werden lässt, war ich offiziell im Verzug – schließlich war ich damals noch Beamter der Landesforst verwaltung. Als solcher betreute ich zwar die Wälder der Gemein de Hümmel, war aber dem Forstamtsleiter unterstellt. Wenn ich diese letzten Mohikaner retten wollte, musste mir etwas einfallen. Da kam mir der Zufall zu Hilfe.
Die Arbeitsgemeinschaft Naturgemäße Waldwirtschaft veranstaltete 2002 eine Fachtagung im Schwarzwald. Die Kollegen zeigten, wie sie mit den Folgen des Orkans Lothar, der im Dezember 1999 Süddeutschland und den Alpenraum heimgesucht hatte, fertig geworden waren. Wir stiefelten den ganzen Tag durch zerstörte Wälder, deren gebrochenes und zersplittertes Holz schonend geborgen wurde. Abends saßen wir dann bei einem Glas Bier zusammen und tauschten Neuigkeiten aus den Heimatregionen aus. Förster aus Hessen wussten Merkwürdiges zu berichten: Ganz im Norden, im Reinhardswald, würden neuerdings Urnen beigesetzt. Die Bäume würden als Grabsteine verkauft und für 99 Jahre geschützt. Das sei ein gutes Geschäft. Alle lachten herzlich: Förster als Totengräber? Ich hingegen war wie elektrisiert. Das war es! Nicht der geschäftliche Aspekt ließ mein Herz höher schlagen, nein, hier wurde eine Möglichkeit aufgezeigt, Wälder in Schutzgebiete umzuwandeln – meine geliebten alten Buchenwälder.
Kaum zu Hause angekommen, sprach ich mit dem Bürgermeis ter, der in Sachen Wald das letzte Wort hatte und meinen Vorschlag wenig später in der nächsten Gemeinderatssitzung vorbrachte. Nach intensiven Diskussionen beschlossen die Mitglieder, grünes Licht zu geben, und die Einrichtung eines Bestattungswalds konnte in Angriff genommen werden. Doch mein Eifer wurde von zahlreichen Behörden gebremst. Es dauerte über ein Jahr, bevor wir die Genehmigung in den Händen hielten. Und damit ging die Arbeit erst richtig los.
Zunächst musste ein passendes Waldstück ausgesucht werden. Natürlich fiel die Wahl auf einen alten Buchenbestand. Die ma jestätischen silbergrauen Stämme wirkten wie die Säulen einer Kathedrale, in der Schwarzspechte, Hohltauben und auch eine scheue Wildkatze zu Hause waren. Mich überkam ein Glücksge fühl: Dieser Wald, in der staatlichen Planung zur sogenannten Endnutzung vorgesehen, wurde nun für die nächsten 100 Jahre jeglichem Zugriff eines Försters entzogen. Das
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