Der Wald - ein Nachruf
sich die Holzfäller durch Nebenjobs aufstockten. Für die Förster gab es dadurch schlagartig bis zum Frühjahr nichts mehr zu tun. Lediglich ein paar liegen gebliebene Formulare waren noch zu bearbeiten.
Diese Praxis führte Ende des 20. Jahrhunderts zum finanziellen Beinahekollaps der Forstbetriebe oder vielmehr der Waldbesitzer, die sie bezahlen mussten. In der Konsequenz wurde kräftig Personal abgebaut. Aber nicht nur Kosten sollten gespart werden, nein, das Ziel hieß nun Gewinn. Freie Stellen wurden nicht wieder besetzt, Reviere neu geordnet und entsprechend vergrößert. Konnte ein Förster früher seinen Dienstbezirk noch zu Fuß durchstreifen, so sitzt er heute im Verlauf eines durchschnittlichen Arbeitstags ein bis zwei Stunden im Auto. So lassen sich Kosten reduzieren, aber verbessert das auch die Gewinnsituation? Stellen Sie sich vor, ein Autohersteller würde seine Autos statt mit vier nur noch mit drei Rädern ausstatten. Die Herstellungskosten sänken, und so gesehen müsste sich die wirtschaftliche Situation verbessern. Aber wer kauft schon einen Pkw mit drei Rädern?
Ähnlich ist es im Wald. Bloß weil weniger Personal vorhanden ist, verbessert sich die Gesamtsituation nicht. Die Reviere, mittler weile auf die dreifache Größe früherer Einheiten angeschwollen, lassen sich kaum noch kontrollieren. Sind jedoch Holzeinschlagsunternehmen am Werk, die Bäume fällen und mit Maschinen herausziehen, dann ist eine tägliche Kontrolle zwingend notwendig. Denn die Fremdfirmen arbeiten im Akkord, sind an möglichst einfachen Arbeitsbedingungen interessiert und an einem hohen Holzanfall auf kleiner Fläche. Rücksichtnahme auf stehende Bäume und den Baumnachwuchs am Boden kostet Zeit und damit Geld. Auch die Einhaltung der Maschinenwege zwischen den Bäumen verringert den Durchsatz, denn dann muss das Holz mittels Seilwinde oder per Pferd herangezogen werden, damit es auf das Kranfahrzeug aufgeladen werden kann. Spart man hingegen Winde und Pferd und fährt einfach an jeden Stamm heran, so ist zwar der ganze Boden anschließend platt gefahren, aber das Holz landet schneller am Waldweg.
Nun steht zwar in allen Verträgen, dass die Ökostandards eingehalten werden müssen, aber wenn kaum jemand kontrolliert, so macht jeder Holzfäller, was er will. Gerade hier, beim Thema Maschineneinsatz und Bodenschonung, lohnt sich jede Arbeitsstunde, in der der Förster nach den Arbeitern sieht. Doch heute lassen sich diese oft tagelang nicht blicken, weil sie gerade im entgegengesetzten Winkel ihres riesigen Arbeitsbereichs beschäftigt sind.
Ein weiterer Nachteil des Stellenabbaus zeigt sich in den Nadelwäldern. Hier schlägt jeden Sommer eine Armada von Borkenkäfern gnadenlos zu, um Fichten und Kiefern zu attackieren, die ihnen in Mitteleuropa oft wehrlos ausgeliefert sind. Ich bin ein bekennender Gegner des Anbaus dieser Baumarten, dennoch möchte ich sie nicht schlagartig loswerden. Denn wenn das geschieht, oft genug ausgelöst durch Sturmwürfe oder Borkenkäferepidemien, dann ist der Waldboden der Witterung schutzlos ausgesetzt und leidet genauso wie bei jeder anderen Form des Kahlschlags. Zudem brauchen die jungen Laubbäume den Schatten, den ihnen ersatzweise die Nadelbäume spenden können. Aus diesem Grund kontrolliere ich mit meiner Kollegin alle paar Wochen sämtliche Nadelwälder auf Käferbefall. Attackierte Exemplare verraten sich durch rötliche Nadeln, harzende Stämme und abfallende Borke. Solche Bäume lasse ich sofort entrinden, um den Käfern die Brutmöglichkeit zu nehmen und ein Übergreifen auf Nachbarbäume zu verhindern. In den meisten Fällen gelingt es uns, die Fichtenbestände zu erhalten und damit die Voraussetzung für ein gesundes Aufwachsen der jungen Buchen generation zu sichern. Für solche Kontrollen, seien es Holzfäller oder Borkenkäfer, haben wir genügend Zeit. Unser Revier umfasst auch nur zwölf Quadratkilometer Wald, verteilt auf zwei Förster. Die Kollegen der staatlichen, aber auch vieler privaten Forstverwaltungen müssen dagegen knapp 20 Quadrat kilometer allein betreuen. Ein Käferbefall an Fichte oder Kiefer wird da schnell einmal übersehen, und da sich diese alle sechs Wochen vermehren, sind in kürzester Zeit ganze Baumbestände tot. Das Holz ist fast wertlos, da anschließend Holzwespen Löcher in die leblosen Riesen bohren. Und da der einst geschlossene Wald nun große Lücken aufweist, findet der nächste Wintersturm ideale Angriffspunkte und wirft gleich
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