Der Wald ist schweigen
gehst.«
»Nein, das werde ich nicht. Erst will ich wissen, was du über Darshan sagen kannst. Und über Vedanja. Und dann will ich mit Laura sprechen.«
»Du hast kein Recht …«
»Du hattest ein Verhältnis mit Darshan, deine Frau hat davon erfahren, es gab eine Ehekrise, die immer noch andauert. Und Darshan, die nicht einmal ein Konto besaß, hatte plötzlich Geld genug, um nach Indien zu fliegen. Aber am Tag ihrer Abreise wurde sie ermordet. Sag mir, wen ich verdächtigen soll, wenn nicht dich oder deine Frau?«
Sie kann seine Wut beinahe physisch spüren, eine Welle heißer Energie.
»Ich habe Darshan nicht umgebracht und Beate war es auch nicht.«
»Und Vedanja?«
Heiner von Stetten schweigt.
»Sie hat noch gelebt, als sie in diesem Schlammloch ertränkt wurde, der Rechtsmediziner ist sich sicher«, sagt Judith leise.
»Ich habe ihr das Geld gegeben!« Beate von Stetten tritt durch die Gartentür in das Zimmer, ohne ihren Mann eines Blickes zu würdigen. Sie geht zu dem kleinen Altar mit dem Elefantengott und deutet eine Verneigung an. Dann stellt sie sich mit sehr geradem Rücken vor Judith, eine strenge Mutter, die beschlossen hat, den Launen ihres Kindes nachzugeben. »Aber ich habe sie nicht umgebracht.«
Heiner von Stetten will etwas sagen, aber seine Frau, die auf einmal gar nicht mehr verhuscht, sondern kräftiger wirkt, als Judith dies je für möglich gehalten hätte, bringt ihn mit einer herrischen Handbewegung zum Schweigen.
»Mein Mann ist ein großartiger Psychologe und wunderbarer Yogalehrer. Sehr hellsichtig, sehr spirituell. Er hat nur eine einzige Schwäche: Er kann schlecht nein sagen.« Beate von Stetten mustert Judith mit einem feindseligen Blick. »Deshalb hat er Sie ja auch hier aufgenommen, obwohl doch klar war, dass Sie nur rumspionieren wollten.«
»Ich war verzweifelt, er hat mir wirklich …«
»Sparen Sie sich die Lobhudelei.« Ein dünnes Lächeln. »Nicht nur zu Ihnen war er zu großzügig, auch zu gewissen jungen Frauen, die keine Grenzen kennen, ihn anhimmelten, ihren großen Guru.«
»Wie Darshan.«
Beate von Stetten nickt. »Darshan. Sie war durch ihre Jugend und das Leben auf der Straße extrem ausgehungert und kompensierte das, indem sie immer noch mehr wollte. Aufmerksamkeit, Sex, Unterricht, Spaß – sie war ganz einfach maßlos. Nicht zu bändigen. Und sehr attraktiv.«
Beate von Stetten streicht sich eine tomatenrote Haarsträhne aus dem Gesicht, bevor sie weiterspricht. »Dieser Aschram hier ist unser Lebenstraum und unser Zuhause. Ein Ort des Friedens und der Meditation, unser Retreat aus einer Welt, die immer mehr durchdreht. Früher, als wir noch in der Stadt lebten, ist Heiner hin und wieder den erotischen Reizen seiner Klientinnen erlegen, und ich habe ihm das verziehen, weil er, wie gesagt, trotz dieser kleinen Schwäche ein wunderbarer Mensch und Lehrer ist. Und meine Geduld hat sich gelohnt. Seit wir hier lebten schien das Thema erledigt zu sein. Bis Darshan zu uns stieß. Sie hatte etwas an sich, das Männer einfach wild macht. Also musste ich handeln, ich konnte doch nicht zulassen, dass sie unseren Lebenstraum zerstört.«
»Also gaben Sie ihr Geld, damit sie verschwindet?«
»Ihr großes Ziel war Indien. Sie war, bei all ihren Schwächen, äußerst spirituell und sehr begabt und ernsthaft, was Yoga anging. Sie hat nicht eine Sekunde gezögert, das Geld genommen und ein Ticket gekauft.«
»Und Sie hatten keine Ahnung, dass sie nie in Indien angekommen ist?«
»Ich hatte keinen Grund, mich darum zu kümmern. Sie war nicht mehr hier. Das hat mir gereicht.«
»Ich hatte keine Ahnung, dass meine Frau dahinter steckt«, sagt Heiner von Stetten. »Darshan hat gesagt, sie hätte das Geld von einer Tante.«
»Und wollten Sie sie von ihrer Indienreise abhalten?«
Der Psychologe schüttelt den Kopf. »So innig war unser Verhältnis nicht. Ich war, ehrlich gesagt, erleichtert, denn Beate hat Recht: Darshan brachte unser Lebensgefüge wirklich ziemlich durcheinander.«
»Und Vedanja? Auch er stand ihr nahe.«
»Mag sein. Aber er ist kein Mörder, auf keinen Fall ist er das.«
»Er hat eine Vorstrafe wegen Körperverletzung.«
»Die längst verjährt ist.«
»Hatte Vedanja ein Verhältnis mit Darshan?«
Heiner von Steffen seufzt. »Ich weiß es nicht. Vielleicht. Aber wenn es so war, konnte das nicht lange gut gehen. Darshan war wirklich sehr … freizügig, sehr … leicht. Sie hat viel und gern gelacht und ihre Unabhängigkeit war ihr
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