Der Wald ist schweigen
Kollegin starrt diese Botschaft an, als sehe sie sie zum ersten Mal, dann schiebt sie das Paket wieder in die Manteltasche. Die Taschenlampen unter ihnen schwärmen jetzt weiter ins Tal aus, ein wabernder Trupp lärmender Glühwürmchen. Die Krieger stützt die Arme aufs Geländer und inhaliert tief. Erst jetzt sieht Manni, wie blass sie ist. Ihre Sommersprossen stechen unnatürlich stark hervor, ihre Augen wirken riesig.
»Scheiße, Manni, wir werden sie hier nicht finden.« Sie starrt in die Dunkelheit, er kann nicht sagen wohin.
Er lehnt sich neben ihr ans Geländer. »Wenn die Ks gleich kommen, Judith. Wenn sie dich hier sehen. Du weißt schon. Millstätt …«
»Ist mir scheißegal«, blafft sie. »Soll er mich rausschmeißen. Aber erst finde ich das Mädchen.«
Er will ihr sagen, dass die Würfel wahrscheinlich längst gefallen sind, dass das Mädchen vielleicht schon tot ist, irgendwo im Wald verscharrt, wie die andere, Darshan. Dass es Wochen dauern kann, bis sie sie finden. Er bringt es nicht über sich, und man soll den Teufel nicht an die Wand malen. Außerdem weiß sie das genauso gut wie er. Unten auf dem Parkplatz kommt noch ein Auto an, ein klappriger Renault 5. Hannah Nungesser springt heraus und rennt auf das Gebäude zu, die Hände schützend über ihren Bauch gelegt.
»Laura! Wo ist sie? Laura!« Ihr hysterisches Geschrei gellt durch die Nacht und jagt Manni einen Schauer über den Rücken. Was auch immer diese Frau in der Erziehung ihrer Tochter falsch gemacht haben mag, sie hat es nicht verdient, nach dem Mann auch noch Laura zu verlieren.
»Scheiße! Die muss hier noch mal angerufen haben und jemand hat geplaudert!« Judith Krieger tritt ihre Zigarette aus und sprintet die Holztreppe hinunter auf den Parkplatz, Hannah Nungesser entgegen. Diesmal muss Manni sich anstrengen, um mit ihr Schritt zu halten.
Unten angekommen bugsiert die Krieger Hannah Nungesser behutsam und dennoch unerbittlich in die Obhut einer Streifenbeamtin. »Ich verspreche Ihnen, wir finden Ihre Tochter«, redet sie auf die Mutter ein. »Ja, ich weiß, wie wichtig das ist. Lassen Sie uns jetzt bitte unsere Arbeit machen.«
Wieder sind Autoscheinwerfer auf dem Serpentinenweg ins Tal zu sehen. Sekunden später rollt der Bus der Spurensicherung in Sicht. Der Anfänger poltert die Treppe runter und rennt auf Manni zu.
»Keiner hat Laura gesehen, seit dieser Vedanja sie gestern Abend zur Vernehmung gefahren hat! Alle haben ihm einfach geglaubt, dass sie krank in ihrem Zimmer liegt!«
Der Bus der Ks kommt immer näher. Manni packt die Krieger an den Schultern. »Ich übernehme jetzt hier. Fahr du zu Edling auf die Wache und schau, dass du diesen Brandes knackst. Ich komme so schnell wie möglich nach.«
Zu seinem Erstaunen gibt sie widerspruchslos nach und hechtet in ihren Passat. Vielleicht ist ihr Millstätt also doch nicht so egal. Er ist nicht sicher, ob die Ks sie erkennen, will sich keine Gedanken darüber machen, hofft einfach, dass er jedenfalls für den Moment gerettet ist und nicht über Kompetenzen und Suspendierungen diskutieren muss.
Er wirft sich ein Fisherman’s ein und gibt dem Anfänger einen Klaps auf die Schulter. »Fahr zum Forsthaus und schau, ob du da was rausfinden kannst, Ralf.«
Der Anfänger nickt und galoppiert los. Weiter hinten schleudert Judiths Passat vom Parkplatz, im selben Moment, in dem die Ks ihren Motor abstellen und aus dem Bus springen. Manni rekapituliert die geographischen Gegebenheiten des Schnellbachtals, während er ihnen entgegeneilt.
***
An der Zufahrt zum Sonnenhof stehen Bullen. Er lenkt den Lieferwagen an ihnen vorbei, ohne das Tempo zu verlangsamen, nur seine Hände greifen das Lenkrad unwillkürlich fester. Was ist los, warum stehen die da? Er fühlt, wie sein Puls sich beschleunigt. Ein unangenehmes Vibrieren. So schnell hat er nicht mit ihnen gerechnet. Was hat er falsch gemacht? Es war ein Fehler, dass er sich letzte Nacht nur um Laura gekümmert hat, erkennt er jetzt. Zu spät. Er ballt die rechte Faust und schlägt auf das Armaturenbrett. Laura, meine Göttin, warum tust du mir das an? Liegst in den Armen eines anderen, sagst mir nicht, was du den Bullen erzählt hast, fantasierst dich einfach weg von mir, rennst weg von mir, dass mir nichts anderes übrig bleibt, als dich dorthin zu bringen, wo du uns nicht verraten kannst.
Die Erinnerung an die letzte Nacht schmeckt so bitter wie das Pulver, mit dem er Laura schließlich beruhigt hat. Wollte vor ihm
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