Der Wald ist schweigen
abhauen, die kleine Schlampe. Wollte ihn austricksen und ihn bei ihrer geliebten Försterin verpetzen. Aber er hat sich nicht austricksen lassen. Er hat sie eingefangen und diesmal hat er besser aufgepasst, als bei … er will den Namen nicht denken, denkt ihn trotzdem. Darshan. Wie sie gelacht hat, ihn ausgelacht. Nur zum Schluss, da hat sie nicht mehr gelacht. Ist gestürzt, als sie vor ihm geflüchtet ist, geradewegs in ihr Verderben gestürzt. Und jetzt haben sie sie gefunden, die Försterin hat sie gefunden. Auch um die hätte er sich kümmern müssen, erkennt er jetzt. Es hat nicht gereicht, sie einzuschüchtern, sie hat sich einfach nicht einschüchtern lassen. Verdammt, verdammt, verdammt, seine Faust bearbeitet das Armaturenbrett. Er hätte dafür sorgen müssen, dass die Bullen die Flinte bei ihr finden, damals, als sie Lauras Sportlehrer entdeckt haben. Es hatte nicht gereicht, die Flinte zurück unter das Bett der Försterin zu hängen. Aber wie hätte er wissen sollen, dass die Bullen so nachlässig sind und nicht richtig suchen?
Adrenalin pumpt durch seinen Körper, während er den Lieferwagen auf einen Waldweg lenkt und den Motor ausschaltet. Er muss herausfinden, was die Bullen im Sonnenhof wollen. Vielleicht ist es noch nicht zu spät. Vielleicht ist noch nicht alles kaputt. Vielleicht muss er Laura nicht auch noch verlieren. Er denkt daran, wie er sie ausgezogen hat, zur Ruhe gebettet hat in seinem Heiligtum. Laura, meine Göttin, du bist so wunderschön. Dann fällt ihm das Wandbild ein, seine Erinnerung an Darshan, von der er sich nicht hatte trennen wollen. Auch das war ein Fehler, erkennt er jetzt. Und ein noch größerer Fehler war es, Laura mit Darshan allein zu lassen, denn was ist, wenn sie aufwacht? Aber sie wird nicht aufwachen, dafür hat er gesorgt, und außerdem ist es Nacht, sie kann das Bild nicht sehen. Diese Hoffnung beschleunigt seinen Puls noch mehr. Er wird ihr noch ein bisschen von dem Pulver geben und dann wird er sie lieben und niemand wird sie dabei stören.
Wieder tauchen die Erinnerungen an Darshan auf, ungebeten und hartnäckig. Ihr schreiender Mund, Augen, in denen keine Liebe mehr ist, keine Lust, nur noch Entsetzen. Er schlägt die Stirn aufs Lenkrad, hart, damit die Bilder verschwinden. Er will nicht daran denken, dass es mit Laura genauso enden kann, dass auch ihre Liebe zu ihm sich in Angst verwandeln kann und was er dann gezwungen sein wird zu tun. Er widersteht der Versuchung, über seine geheime Abkürzung direkt zu Laura zu fahren. Bald, redet er sich zu. Bald, Aber zuerst muss er herausfinden, was die Bullen im Sonnenhof suchen. Er startet den Motor und wendet den Wagen. Er wird die Schneise am Forsthaus benutzen. Er wird verdammt vorsichtig sein. Und zur Not hat er immer noch die Flinte.
*** Andis Motorradjacke hat ein geheimes Fach, innen, direkt am Reißverschluss. Laura weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, bis sie keine Tränen mehr hat und mit ihren kalten, zitternden Fingern danach sucht. Ohne hinzusehen schiebt sie die Hand in Andis Geheimtasche. Das Futter ist glatt, ein Streicheln. Innendrin sind zwei längliche Gegenstände, der eine flacher, der andere härter. Sie holt sie heraus. Ein Müsliriegel und ein Schweizer Taschenmesser. Andis Notfallpaket. Motorrad fahren erfordert Konzentration, Laura, hört sie seine Stimme. Deshalb der Müsliriegel. Für den Blutzuckerspiegel, falls ich mich mal verfahren habe. Und ein Messer kann man sowieso immer gebrauchen. Sie isst den Müsliriegel und es ist, als hätte sie noch nie etwas so Nahrhaftes gegessen. Sie kaut jeden Bissen sehr lange und sorgfältig. Als sie fertig ist, hat sie immer noch schrecklichen Durst und sie muss dringend pinkeln, aber ihr ist nicht mehr so schwindlig. Sie untersucht das Taschenmesser, klappt jede Klinge auf. Messer, Korkenzieher, Flaschenöffner, Feile, Schraubenzieher und Säge. Säge!
Die Hoffnung ist pure Energie. Laura will aufspringen, besinnt sich aber und zieht erst ihre Turnschuhe an. Die Wunde an ihrer Ferse hat aufgehört zu bluten, aber sowie sie auftritt, beginnt sie zu schmerzen. Egal. Laura nimmt die Kerze, die schon ziemlich weit heruntergebrannt ist, und begutachtet die Tür. Ein bisschen was hat sie in den letzten Monaten in der Schreinerwerkstatt gelernt, jedenfalls fühlt sie sich längst nicht mehr so hilflos wie früher, bevor sie im Sonnenhof lebte. Also denk nach, Laura! Der Riegel, den Jey damals von außen mit einem Vorhängeschloss gesichert
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