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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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jemand aufgebrochen, das warn wir nicht, ehrlich, Mann.« Also seien sie einfach reinspaziert und hätten sofort das Motorrad gesehen. Der Zündschlüssel steckte noch. »Irre, Mann, diese geile BMW in dieser ollen Scheune vom Bielstein, wo’s reinregnet und nie jemand hingeht und rundrum nur matschige Feldwege und so, aber die Maschine war super tipptopp poliert und der Tank auch noch fast voll.« Klar seien sie am nächsten Tag wiedergekommen, und am übernächsten Tag und so weiter. Sie hatten schließlich Schulferien.
    »Aber doch nicht, um das Motorrad nur anzugucken, oder?« Manni zieht die Plane von der BMW. Schwarz und neu und groß sieht sie aus. Und tatsächlich blank poliert. Der Zündschlüssel steckt. Manni dreht ihn vorsichtig im Schloss, studiert die Tankanzeige.
    »Voll ist der Tank nicht gerade.«
    »Marc, du bist doch nicht etwa auf diesem Motorrad – ohne Führerschein?« Petra Weißgerber packt ihren Sohn am Ärmel, als wäre er soeben im Begriff, sich auf die BMW zu schwingen.
    »Marc?« Manni versucht, die Aufmerksamkeit des Jungen wieder zu gewinnen.
    »Hm, ja, nö, nicht direkt. Nur mal ’n bisschen um die Wiese.« Und zu seiner Mutter. »Alle ham das schließlich gemacht, da war überhaupt nix dabei.«
    »Und danach habt ihr das Motorrad immer geputzt?«
    »Ja, Mann, klar, wir wussten ja nicht, wann der, dem es gehört, zurückkommt.«
     
    ***
    »Darf ich heute Nachmittag auf Ronja aufpassen?«
    Diana fährt zusammen. Wie aus dem Boden gewachsen steht Laura in ihrem Büro, und Ronja, die Verräterin, hat kein bisschen angeschlagen, sondern drückt sich schwanzwedelnd an ihre Seite.
    »Darf ich? Ronja hat auch Lust auf einen Spaziergang, das merke ich genau.«
    »Wie bist du hier hereingekommen?« Dianas Herz pumpt Stakkatofolgen.
    »Die Terrassentür war offen.«
    »Du hättest trotzdem klingeln können. Du hast mich erschreckt.«
    »Oh, tut mir Leid, das wollte ich nicht.«
    Laura geht in die Hocke und krault Ronjas Schlappohren. »Ronja ist so süß!« Sie wirft ihre verfilzte Mähne in den Nacken, schiebt ihr Stirnband ein Stück aus der Stirn und sieht zu Diana auf, die Hände immer noch in Ronjas Fell vergraben.
    »Nur für einen Spaziergang, ja? Weil ich heute Nachmittag frei habe. Wenn du sowieso Büroarbeit machst, brauchst du sie doch gar nicht, oder?«
    »Woher willst du das wissen? Außerdem bin ich gleich fertig hier im Büro und gehe dann ins Gelände, Bäume auszeichnen. Da wollte ich Ronja mitnehmen.«
    Sie sieht die Enttäuschung in Lauras Gesicht und unterdrückt einen Fluch. Hört es denn nie auf? Muss sie wirklich für immer die große Schwester sein? Laura ist zwei Jahre älter als Tamara und viel selbstständiger. Aber die Hartnäckigkeit, mit der sie für ihre Interessen eintritt, ist dieselbe. Lies mir vor, hol mich ab, spiel mit mir vierhändig, erklär mir die Welt – seitdem Tamara auf die Welt gekommen war, hatte sie Forderungen gestellt, die die 14 Jahre ältere Diana erfüllte. Missmutig erst, doch später, als Tamara die Musik entdeckte, zunehmend bereitwilliger. Ich habe für mein schlechtes Gewissen damit bezahlt, dass ich Tamara zu Diensten war, denkt Diana nicht zum ersten Mal. Mein schlechtes Gewissen, weil ich es in Wahrheit nicht ertragen habe, Mutter zu enttäuschen. Unsere schrecklich dünne, schrecklich gepflegte, hypersensible Mutter, deren Traum es ist, dass ihre Tochter das erreicht, was ihr selbst misslang: eine Karriere als Pianistin. Solange sie denken kann, musste Diana die Finger über Klaviertasten krümmen, zerrissen zwischen der eigenen Liebe zur Musik, den Wünschen der Mutter und der niemals zu tilgenden Sehnsucht, allein zu sein, weit weg, draußen in den Wäldern, die sie damals nur aus der Ferne kannte. Diana, die Jagdgöttin. Hüterin der Wälder, Tiere und Kinder. Nach dem Abitur hat sie ihrer Sehnsucht endlich nachgegeben und Forstwirtschaft studiert. Wie oft und theatralisch hat die Mutter seitdem bedauert, dass sie ihre Erstgeborene ausgerechnet nach der Urgroßmutter genannt hatte. Als ob ein Name tatsächlich ein Omen sei. Als ob ein anderer Name Diana zu einer anderen Tochter hätte machen können.
    Tamara hingegen hatte die Musik für sich selbst erobert, kaum dass sie laufen konnte, und schon bald war klar, dass ihr Talent Dianas bei weitem überflügeln würde. Trotzdem war es nicht leicht, die Mutter davon zu überzeugen, dass ausgerechnet die jüngere Tochter, deren Zeugung nichts als ein Unfall inmitten einer lieblosen

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