Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
Vom Netzwerk:
nicht lügt.«
     
    ***
    Es ist eine Nacht für Manfred Mann’s Earth Band, Judiths ganz persönliche Zuckerwassermusik, seit sie 14 ist. Unzählige Nachmittage und Abende hat sie als Teenager mit den Nachbarskindern auf dem Teppich gelegen und die Musik gehört, mit heruntergezogenen Rollos, Räucherstäbchen, Tropfkerzen und aromatisiertem Tee. Wenn sie Manfred Mann hörten, war Judith glücklich, beinahe schwebend in einer wortlosen Geborgenheit. Wenn sie Manfred Mann hörten, waren die Fragen nach dem Sinn des Lebens, die ihr niemand beantworten konnte, für einen Moment vergessen. Kurz vor ihrem 17. Geburtstag zog ihre Familie dann in eine andere Stadt, weil ihr Vater wieder einmal versetzt worden war. Sie hat ihre Freunde von damals nie wieder gesehen, aber Manfred Mann’s Watch, die sie ihr zum Abschied schenkten, besitzt sie heute noch. Und auch all die anderen Alben, die sie an diese kurze Periode in ihrer Kindheit erinnern, in der sie glücklich war. Manfred Mann’s Messin, Roaring Silence und Angel Station, Supertramp, Tangerine Dream, Queen.
    Warum lebst du so rückwärtsgewandt? Du konservierst die 70er Jahre wie einen Schatz, hatte Martin erstaunt ausgerufen, als er zum ersten Mal ihre alten LPs betrachtete.
    Es ist ein Schatz, hatte sie erwidert. Die einzige Konstante in meinem Leben. Sie musste an Patrick denken, als sie das sagte, an all die Umzüge in ihrem Leben, all die Freunde und Liebhaber, die gekommen und wieder gegangen waren. Sie hatte nicht bedacht, dass auch ihr Beruf zu einer Konstante geworden war, die sie dringend brauchte, um die Fragen nach dem Sinn in Schach zu halten. Sie hatte ihren Beruf als Selbstverständlichkeit verbucht und nicht daran gedacht, dass ein Leben ohne ihn unerträglich wäre.
    Vielleicht sind Manni und der Neue tatsächlich dabei, die Akte »Erlengrund« erfolgreich zu schließen. Vielleicht hat Axel Millstätt Recht und ihr Instinkt funktioniert wirklich nicht mehr, sie braucht eine Pause, ärztliche Hilfe. Aber sie kann das nicht glauben. Alles in ihr schreit, dass Juliane Wengert nicht die Täterin ist, dass der Schlüssel zu diesem Fall – und womöglich der Täter – im Sonnenhof zu finden ist. Und es gibt nur eine einzige Möglichkeit, wie sie Millstätt davon überzeugen und sich rehabilitieren kann: Sie muss es beweisen, alles auf eine Karte setzen. Und zwar allein.

Samstag, 8. November
    »Warum lassen Sie mich nicht endlich in Ruhe?«
    Acht Uhr morgens, ein Tag, an dem es nicht hell werden will, und schon wieder ein Verhör. Juliane Wengert fährt sich mit den Fingern durchs Haar. Es fühlt sich strohig an, das Wasser im Gefängnis ist einfach zu hart, sie verträgt es nicht. Zu Hause wird es im Keller automatisch enthärtet, aber hier – ihre Haut altert mit jedem Tag, egal wie viel Lotion sie darauf verteilt. Und vor ihr steht Albrecht Tornow und glotzt, als sei er das Kaninchen und sie die Schlange.
    »Du musst mir noch mehr von meiner Gesichtscreme besorgen und eine Kur für mein Haar, ich hab es aufgeschrieben, hier.« Sie schiebt ihm den Zettel zu, den sie in einer weiteren durchwachten Nacht angefertigt hat. »Und bitte auch noch eine Packung Vitamintabletten. Und Baldriparan forte.«
    »Ich kann dich nicht verteidigen, wenn du nicht einmal mir vertraust!« Albrecht ignoriert den Zettel, versucht, ihren Blick einzufangen. »Mein Gott, begreifst du denn nicht, Juliane? Das hier ist nicht ein weiterer eurer gern und oft zelebrierten Kämpfe. Andreas ist tot, ermordet, und die Hauptverdächtige bist du.«
    »Glaub mir, das weiß ich. Aber deshalb würde ich die Zeit hier trotzdem gern einigermaßen stilvoll überstehen. Da es dir ja nicht zu gelingen scheint, mich hier rauszuholen.«
    »Wenn ich dich hier rausholen soll, musst du mir vertrauen.«
    »Heißt das, ich soll etwas gestehen, was ich nicht getan habe? Ich habe Andreas nicht umgebracht, wie oft muss ich das denn noch sagen.«
    Unwillig schüttelt Albrecht Tornow den Kopf. »Das ist zu wenig, Juliane.« Er blättert in seinen Akten. »Du hast versucht, dich ins Ausland abzusetzen, du hast kein Alibi für die Tatzeit, du besitzt eine Jagdhütte in der Nähe des Tatortes, es gibt diese Nachbarin, die schwört, es hätte einen handfesten Ehekrach um eine Schülerin gegeben, mit der Andreas dich betrogen hat, und wer weiß, was die Polizei als Nächstes herausfindet. Und zu alldem sagst du nichts, weder mir, deinem Anwalt und Freund, noch der Polizei.«
    Als wäre dies ein Stichwort, fliegt

Weitere Kostenlose Bücher