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Der Wald ist schweigen

Der Wald ist schweigen

Titel: Der Wald ist schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Max Mustermann
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warum sollte die Försterin es erfunden haben? Weil sie von etwas anderem ablenken oder sich wichtig machen will, sagt der imaginierte Manni in Judiths Kopf. Und sie kann das noch nicht einmal mit Sicherheit ausschließen. Sie hat ja selbst das Gefühl, dass die Försterin nicht ehrlich ist.
    Judith will sich gerade eine weitere Zigarette drehen, als sie Manni sieht. Er trabt im Laufschritt durch den Nieselregen, seinen albernen Aktenkoffer unter den Arm geklemmt, den neuen Kollegen auf den Fersen wie einen treuen Dackel. Judith steigt aus.
    »Manni!«
    Er stoppt so heftig, dass der Neue um ein Haar auf ihn prallt.
    »Judith.« Er verbirgt seine Überraschung geschickt.
    »Mir ist noch etwas eingefallen, das vielleicht wichtig sein könnte.« Sie zieht eine Kopie der Landkarte, die sie im Forstbüro gemacht hat, aus ihrer Jackentasche. »Vielleicht ist der Täter von hier gekommen, dieser Bach führt direkt von der Straße zum Tatort. Diese Zeugin, Diana Westermann, hat mich heute angerufen. Sie hat vor einiger Zeit ein Handy gefunden, ungefähr hier. Deshalb bin ich auf diese Idee gekommen.«
    »Sie soll das Handy zu Hans Edling bringen. Wieso ruft sie nicht im Präsidium an, wenn sie was zu sagen hat?«
    »Das hatte sie wohl, aber sie wollte mit mir sprechen.«
    »Hast du ihr nicht gesagt, dass sie sich an mich wenden soll?«
    »Herrgott, Manni, sie wollte mit mir sprechen, und jetzt sage ich dir, was sie mir erzählt hat.«
    »Millstätt sagt, dass du definitiv raus bist aus dem Fall.«
    »Entschuldigung, ich hatte einen Moment lang vergessen, wie gut du dich neuerdings mit Millstätt verstehst. Am besten rufst du ihn direkt an und bittest ihn, mich ein für alle Male zu suspendieren.«
    Der Neue guckt, als wünsche er sich weit weg. Der Regen wird stärker. Mannis Finger spielen Klavier auf seinem Koffer.
    »Ich verpfeife keine Kollegen.«
    »Ach nein?«
    »Nein.« Manni nickt dem Neuen zu. »Komm!«
    »Ich dachte, das, was ich zu sagen habe, wäre interessant für euch. Wo ihr doch bestimmt umfassend in alle Richtungen ermittelt.« Es gelingt Judith nicht, den Sarkasmus aus ihrer Stimme herauszuhalten.
    Manni seufzt. »Also, was hat die Försterin gesagt?«
    »Sie hat das Handy im Sonnenhof abgegeben, angeblich gehört es einer jungen Frau, die dort einmal gewohnt hat.«
    »Name?«
    »Darshan.«
    »Ist das ein Vor- oder Nachname?«
    »Das müsste man noch ermitteln.« Judith fühlt, wie ihr die Hitze ins Gesicht steigt. Verdammt, verdammt, verdammt. Sie weiß nichts. Sie macht sich lächerlich. Warum kann sie nicht lockerlassen? Warum ist sie überhaupt hergekommen?
    »Im Sonnenhof«, fügt sie hinzu.
    Manni dreht sich zu dem Neuen um. »Ruf morgen im Sonnenhof an und lass dir Namen und Adresse geben, damit unsere Kollegin hier ruhig schlafen kann.«
    »Vielleicht wäre es besser, dort persönlich hinzufahren …«
    »Hast du eigentlich eine Ahnung, wo wir mit unseren Ermittlungen stehen?«
    Judith schüttelt den Kopf. Zu ihrem Entsetzen merkt sie, dass ihr Tränen in die Augen steigen.
    »Wir sind so dicht dran.« Manni markiert mit Daumen und Zeigefinger einen Spalt von wenigen Millimetern. »Und jetzt entschuldige uns bitte. Es ist nur noch eine Frage von Stunden, bis wir wissen, mit wem Andreas Wengert seine Frau betrogen hat, und wenn wir das erstmal wissen … Komm, wir sind schon zu spät dran.« Der letzte Satz gilt seinem Kollegen.
    Der Regen wird dichter, als die beiden im Parkhaus verschwinden. Wenn der Neue überhaupt im Sonnenhof anruft, wird er sich abwimmeln lassen. Und Manni wird sie bei nächster Gelegenheit bei Millstätt anschwärzen, egal, wie großkotzig er behauptet, dies sei unter seiner Würde. Wer außer ihm sollte Millstätt schließlich von ihrem Ausraster gegenüber Juliane Wengert berichtet haben? Großartig, Judith, das hast du wirklich super hingekriegt! Am besten räumst du gleich morgen deine letzten persönlichen Dinge aus deinem Schreibtisch im Präsidium.
     
    ***
    Tanja Palm, die 47. Schülerin des Bonner Schiller-Gymnasiums, die sie befragen, sitzt zwischen ihren Eltern in einem makellosen Wohnzimmer auf einem Rattansofa mit dicken Polstern. Es ist das perfekte Bild einer perfekten Kleinfamilie, die soeben einem Werbespot entstiegen sein könnte. Manni versucht sich zu erinnern, wie es war, in die zwölfte Klasse zu gehen. Was er gemacht hat, was ihm damals wichtig war. Die Vorstellung, er hätte ein Verhältnis mit einer seiner Lehrerinnen anfangen wollen, ist absurd, aber

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