Der Wald: Roman
Entfernung überwältigen konnten. Das Taschenmesser in ihrer Jeans war kein großer Trost. Die beiden großen Messer waren an Bennys Arm geschnallt. Nick hatte noch ein Messer in der Scheide am Gürtel, und Julie hatte das Beil. Eine klägliche Waffensammlung. Gott, warum habe ich die Pistole nicht festgehalten!
Sie umrundete das Ende des Sees und erreichte den Zufluss des Upper Mesquite. Ihr Lichtstrahl funkelte auf dem strömenden Wasser, folgte ihm aufwärts zu dem niedrigen Grat, fuhr über die steinigen Uferböschungen. Sie sah Felsen und tanzende Schatten und sprudelndes Wasser. Sonst nichts. Sie bückte sich und schöpfte sich kaltes, frisches Wasser in den Mund. Dann sprang sie auf die andere Seite und richtete die Lampe auf den Bach.
Nick und Benny wateten hindurch. Das Wasser überspülte ihre Wanderschuhe und durchnässte die Hosenbeine bis zu den Knien.
Julie sprang über den Bach. »Jetzt kriegt ihr beiden eine Lungenentzündung.«
Nick gab ein Geräusch von sich, das einem Lachen ähnelte. »Besser, als an Altersschwäche sterben.«
Karen stieg schräg den Hang hinab und näherte sich dem Seeufer. Statt Stein hatte sie nun nachgiebige Erde unter den Füßen. Es fühlte sich an wie ein Kissen. Herrlich. Die Schicht aus Piniennadeln knirschte leise bei jedem Schritt.
Sie schlug eine gewundene Route ein, um Bäumen und Steinhaufen auszuweichen. Dann entdeckte sie die Lichtung vor sich. Sie sah die Feuerstelle, die Baumstümpfe und Steine, die sie wie Hocker umringten, den Holzhaufen. Ein Gefühl der Erleichterung und Freude überkam sie, als kehrte sie von einer langen Reise nach Hause zurück.
Sie taumelte zu einem der Baumstämme, ließ sich auf die glatte Sitzfläche sinken und streckte seufzend die pulsierenden Beine aus.
»Verfluchte Scheiße!«, stieß Nick hervor. »Wo sind unsere Rucksäcke?«
Karen leuchtete mit der Taschenlampe in die Dunkelheit. Die Rucksäcke waren verschwunden.
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Benny fühlte sich nutzlos. Er saß zitternd auf einem Stein, und sein Arm pochte schmerzhaft, während Nick und Julie nach den Rucksäcken suchten. Karen hockte auf einem Baumstumpf neben ihm. Sie hielt ein aufgeklapptes Taschenmesser in der Hand. »Du kannst ihnen helfen, wenn du willst«, sagte er.
»Schon okay.«
»Du musst nicht hierbleiben und auf mich aufpassen.«
Sie lächelte ein wenig. »Mach ich aber.«
»Mann, ich hab’s wirklich versaut.«
»Nein. Das hätte jedem von uns passieren können.« Sie schlang die Arme um den Oberkörper.
»Ist dir kalt?«, fragte Benny.
»Ich hab von Kopf bis Fuß Gänsehaut.«
»Willst du meinen Parka?«
»Nein, danke. Der passt mir sowieso nicht.«
»Du kannst ihn dir über den Rücken legen.«
»Nein. Behalte ihn. Wirklich. Du brauchst ihn dringender als ich. Wusstest du, dass Frauen eine zusätzliche Fettschicht haben?«
»Du nicht.«
Sie lachte. »Das wird eine harte Nacht, wenn sie die Rucksäcke nicht finden. Wir werden uns den Hintern abfrieren.«
»Und hungern. Wie damals die Donner-Familie auf ihrem Treck nach Westen.«
»Wohl kaum. Die Siedler saßen in den Bergen fest. Wir können an einem Tag zurückwandern. Das haben wir ja schon mal gemacht.«
»Wir können nicht weg, ohne … Wir müssen erst die Hexe töten.«
»Wenigstens wissen wir jetzt, dass sie hier ist«, sagte Karen. »Sie muss diejenige sein, die unsere Rucksäcke mitgenommen hat. Das ist doch schon mal was.«
»Ich wusste, dass sie hier sein würde. Sie hat uns hierher gebracht.«
»Was?«
»Sie hat uns hierher gebracht. Mit ihrer Magie.«
»Was für ein erfreulicher Gedanke. Warum glaubst du das?«
»Wir sind hier, oder nicht?«
»Das haben wir uns selbst ausgesucht.«
»Warum hatten wir auf dem Weg keinen Unfall? Wir sind nicht mal in eine gefährliche Situation geraten.«
»Nick saß am Steuer. Wie dein Vater gesagt hat, er ist der Große Unverfluchte.«
»Seit Donnerstag ist niemandem von uns mehr etwas zugestoßen. Nichts ist passiert, bis wir hier angekommen sind. Sie wollte, dass wir kommen.«
»Damit sie Nick erwischt?«
»Und uns. Wenn wir aus dem Weg geschafft sind, wird sie mit Dad und Heather und Rose und Mrs. Gordon weitermachen. Sie kann sie mit dem Fluch erledigen.«
»Das lassen wir nicht zu. Es sei denn, wir erfrieren.«
»Vielleicht sollten wir Feuer machen.«
»Womit?«
»Ich hab Streichhölzer«, teilte Benny ihr mit.
»Wirklich?«
»Klar.« Mit der linken Hand fummelte er an seiner Hemdtasche, bis er den Knopf aufbekam.
»Du
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