Der Wald: Roman
suchte in seiner Tasche nach dem elastischen Band, mit dem er die Brille beim Sportunterricht befestigte. Als er es anbrachte, überholten ihn Karen und Mrs. Gordon.
»Alles klar bei dir?«, fragte Karen. Sie sah überhaupt nicht erschöpft aus.
»Nur meine Brille«, sagte er. »Ich hol euch gleich ein.«
»Keine Eile.« Sie winkte und ging mit langsamen, langen Schritten gegen den Hang gebeugt weiter. Benny setzte die Brille auf. Er betrachtete die Rückseite ihrer schlanken Beine.
Während er sie anstarrte, kamen die Zwillinge den Weg herauf. Er nickte ihnen zu, und die mit dem Pferdeschwanz sah ihn an, als hielte sie ihn für schwachsinnig. Was hatte er getan, fragte er sich, dass sie sich so benahm? Nachdem die beiden vorbeigegangen waren, flüsterte sie ihrer Schwester etwas zu, und beide Mädchen kicherten ein wenig.
Errötend sah er nach, ob sein Hosenstall geschlossen war. Der Reißverschluss war oben.
Sie mussten sich über ihn lustig gemacht haben, weil er eine Pause einlegte. Oder vielleicht wegen seiner Brille. Die Brillenschlange kackt ab.
Er würde ihnen noch zeigen, wer hier abkackte.
Schnell zog er die Schlaufe des Gummibands über seine andere Ohrmuschel. Er spähte den Weg hinab. Julie und Nick näherten sich ihm. Ihr würde er keine Chance geben, ihn zu schlagen. Er lehnte sich in den Schultergurten gegen das Gewicht nach vorn und eilte den Pfad hinauf.
Er ging mit langen, gleichmäßigen Schritten, so wie Karen. Bald schloss er zu den Zwillingen auf. »Piep, piep«, machte er. Sie sahen sich erschrocken um, und Pferdeschwanz ließ sich hinter ihre Schwester zurückfallen, um ihm Platz zu machen. Er stürmte an ihnen vorbei.
»Trottel«, zischte eine der beiden hinter ihm. Er sah sich nicht um.
Karen kam in Sicht, als er um eine Wegbiegung ging. Er behielt seine Geschwindigkeit bei, bis er nur noch ein paar Schritte hinter ihr war, dann passte er sich ihrem Tempo an.
Sie drehte sich halb um und lächelte ihm zu. Sogar mit dem komischen Hut war sie schön. »Willst du vorbei?«, fragte sie.
»Nein danke. Alles bestens.«
Es war wirklich bestens. Er blieb hinter ihr, beobachtete sie und lauschte ihrer Stimme, während sie mit Mrs. Gordon sprach. Es spielte keine Rolle, dass er kaum ein Wort mitbekam.
Seine Schultern schmerzten. Der Rücken war ein Stück oberhalb des Hinterns wund, weil dort der Rucksack aufsaß. Die Beinmuskeln zitterten. Schweiß tropfte von seinem Gesicht. Das Hemd und die Unterwäsche klebten an seiner Haut. Er schnappte nach Luft. Aber er ging nicht langsamer. Er blieb dicht hinter Karen, ein gutes Stück vor den frechen Zwillingen sowie Julie und Nick.
Egal, wie schlecht es ihm ging, er würde nicht zurückfallen. Diese Schwäche würde er sich nicht gestatten.
Schließlich wurde der Weg eben.
Dann führte er sanft bergab. Benny ließ den Blick durch das Tal zur Linken schweifen, sah aber nichts als dichten Wald.
Der See muss hier irgendwo sein, dachte er.
›Zwei Meilen‹, hatte der Wegweiser angekündigt. Sie mussten schon fünf gelaufen sein. Also, wo ist er? Vielleicht war die Angabe auf dem Schild falsch. Vielleicht stand noch eine Eins vor der Zwei und war nur mit Dreck oder so was bedeckt gewesen, und es waren zwölf Meilen bis Juniper Lake. Nein, der Ranger hat gesagt …
»Wir sind da«, hörte er Mr. Gordon sagen. Er war mit Dad vor ihm stehen geblieben.
»Wie läuft’s?«, fragte Dad Karen.
»Puh.« Sie nahm ihren Hut ab. Er hatte ihre Haare plattgedrückt. Die Strähnen über der Stirn waren feucht und dunkel.
»Es war der Hammer«, sagte Benny.
Karen lächelte ihn an und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn.
»Du hast dich wirklich gut gehalten«, sagte Dad zu ihm. »Das war ziemlich anstrengend.«
Benny zuckte die Achseln und schaffte es, ein Winseln zu unterdrücken, als der Schmerz durch seine Schultern fuhr. »So schlimm war’s nicht«, sagte er.
Während sie auf die anderen warteten, zeigte ihnen Mr. Gordon den Wegweiser. Auf dem Schild stand JUNIPER LAKE , aber keine Entfernungsangabe. Der Pfeil wies nach links, wo ein schmaler Pfad von dem Hauptweg abzweigte und den Hang hinabführte. Benny blickte in die Bäume. Er konnte nichts von einem See entdecken.
»Wo ist der See?«, fragte das Mädchen mit dem Pferdeschwanz stirnrunzelnd seine Mutter.
»Da unten«, meinte Mrs. Gordon.
»Ich sehe ihn nicht.«
»Ich auch nicht«, sagte ihre Schwester.
»Genau da «, mischte Benny sich ein. Er zeigte den Pfad in den
Weitere Kostenlose Bücher