Der Wald: Roman
Wanderschuhe.«
»Hast du ihr Messer gesehen?«
»Ein Messer?«
»An ihrem Gürtel. Sah aus wie ein Bowiemesser. Ein riesiges Teil.«
»Na toll«, murmelte Julie. »Eine verrückte Frau mit einem Bowiemesser. Ich glaube, wir sollten uns auf jeden Fall von den Seen fernhalten.«
13
13
Karen hing kopfüber in dem überschlagenen Wagen und tastete vergeblich nach dem Verschluss des Sicherheitsgurts. »Der Gurt rettet Leben, schnall dich an«, erklang in ihrem Kopf spöttisch der alte Kampagnenspruch. »Ich wärm dich«, sagte eine Stimme vom Fenster her.
Sie wusste, was sie sehen würde, wenn sie den Kopf drehte, und schon der Gedanke daran versetzte sie in Angst und Schrecken. Sie wollte es nicht sehen. Aber sie konnte sich nicht beherrschen. Ihr Kopf wandte sich langsam zum offenen Fenster. Geh weg!, dachte sie. Ich mache die Augen zu, dann wird er verschwinden. Sie schloss die Lider, aber sie waren durchsichtig, und sie starrte das verkohlte Gesicht an. Rauchfahnen kringelten sich aus den leeren Augenhöhlen und aus den Löchern, wo einmal Nase und Mund gewesen waren.
»Das geschieht dir recht«, sagte das Gesicht und blies ihr Rauch in die Augen. Der entstellte Mund verzog sich zu einem schmerzvollen Grinsen, bei dem das schwarze Fleisch der Wangen einriss.
»Nein!«, schrie sie. »Es war nicht meine Schuld!«
Er spie ihr eine Benzinfontäne ins Gesicht. Die übelriechende Flüssigkeit brannte in ihren Augen und drang in die Nasenlöcher. Als sie nach Luft schnappte, lief das Benzin in ihren Mund und drohte, sie zu ersticken.
Er packte ihre Schulter. Sie versuchte, die Finger zu lösen. Sie waren trocken und spröde, und sie wusste, sie würden abbrechen, wenn sie fest genug daran zog.
»Karen!«
Keuchend wachte sie auf. Scott kniete neben ihr und hatte eine Hand auf ihre Schulter gelegt. »Alles in Ordnung?«, flüsterte er.
»Gott sei Dank hast du mich geweckt.«
»Das muss ein schrecklicher Alptraum gewesen sein.«
»Allerdings.« Mit zitternden Fingern griff sie nach dem Reißverschluss im Inneren des Schlafsacks und zog ihn auf. Sie drehte sich auf die Seite, um Scott Platz zu machen. Er kroch zu ihr hinein, schloss den Reißverschluss und nahm sie in die Arme. Wie in der letzten Nacht trug er lediglich Boxershorts. Sein Rücken fühlte sich weich und kühl an.
»Du zitterst«, sagte er.
»Du auch.«
»Mir ist eiskalt.«
»Und ich hab mich zu Tode erschreckt.« Sie drückte ihn fest an sich.
»War der Sensenmann hinter dir her?«
»So was Ähnliches.« Sie seufzte tief. »So einen schlimmen Traum hatte ich schon lange nicht mehr.«
»Das liegt daran, dass wir auf dem harten Boden schlafen. Ich hatte auch ein paar ziemlich wilde Träume. Die meisten drehten sich um dich.«
»Keine Alpträume, hoffe ich.«
»Ganz und gar nicht.« Er schob ihr Sweatshirt hoch, so dass sie nackt an seinem Bauch und seiner Brust lag. Sanft streichelte er ihren Rücken. »Ich erzähle dir meine, wenn du mir deine verrätst.«
»Meine willst du nicht hören.«
»Es könnte helfen, darüber zu reden. Vielleicht finden wir heraus, was sie bedeuten.«
»Ich weiß, was sie bedeuten. Und auch, wieso ich den Traum heute Nacht hatte – weil wir am Nachmittag über die Narben geredet haben.«
Er hörte auf, sie zu streicheln und drückte sie fester an sich. »Dein Unfall?«, flüsterte er.
»Ja. Nur dass nicht Frank in dem Wagen gefangen war, sondern ich. Er hockte neben dem Fenster … völlig verbrannt. Und er hat mich mit Benzin bespritzt …«
»Großer Gott.«
»Du hast mich geweckt, ehe er dazu kam, es anzuzünden.«
»Das muss fürchterlich gewesen sein.«
»Manchmal war es sogar noch schlimmer. Meistens wache ich auf, wenn er gerade das Streichholz anzündet, aber ein paarmal … Ich brenne und er kriecht durch das Fenster und …« Sie würgte plötzlich.
Scott streichelte ihren Hinterkopf. »Schon gut«, sagte er. »Schh.«
»Entschuldigung.«
»Schon gut. Jetzt erzähl ich dir meine Träume.«
»Sie sind schön, oder?«
»Sehr schön. Heute Morgen – gestern Morgen? – habe ich geträumt, es hätte geregnet, und du wärst nur mit einem Plastikponcho bekleidet aus dem Zelt gekommen.«
»Das hast du dir ausgedacht.«
»Nein. Im Ernst. Der Regen fiel in Strömen. Dein Haar hing ganz nass herab. Das Wasser lief dir übers Gesicht und über den Poncho, und ich konnte die Gänsehaut darunter sehen. Und deine Nippel waren aufgerichtet.«
»So wie jetzt?«
Seine Hand wanderte zu ihren
Weitere Kostenlose Bücher