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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Idee. Geh doch.«
    Er drehte sich um und sah den dunklen Weg entlang. Sie befanden sich fast am anderen Ende des Sees. Vom Zeltplatz war keine Spur zu sehen.
    Jemand zog am Ärmel seines Parkas. »Komm schon«, sagte eine Mädchenstimme. »Es ist alles in Ordnung.« Er wandte sich wieder nach vorn und sah einen der Zwillinge.
    »Entschuldigung, dass ich dich getreten hab«, murmelte er.
    Sie lächelte zu ihm auf. »Macht nichts. Geh nicht zurück, ja?«
    »Nein, ich glaub nicht«, sagte er. »Danke.«
    Sie gingen weiter. Benny verzog das Gesicht, als er bemerkte, dass Heather humpelte. Er achtete darauf, ein gutes Stück hinter ihr zu bleiben, bis der schmale Pfad nach oben abbog und zwischen den Felsen am Ende des Sees verschwand. Dort trat er neben sie. Sie sah ihn an und lächelte. Seite an Seite liefen sie über die flachen Granitplatten am Ufer.
    Ohne die dichten Schatten der Bäume war die Nacht sehr hell. Der See sah immer noch fast schwarz aus, aber die nackten Steine schimmerten blass, als wären sie in Milch getaucht. Benny war erstaunt, dass er so viel erkennen konnte. Er sah Julies Haar im Wind wehen, die Karos auf Nicks Jacke und sogar die drei Streifen an der Seite von Roses linkem Turnschuh. Aber keine Farben. Er konnte keine Farben ausmachen. Selbst Heathers Jeans, von der er wusste, dass sie knallrot war, erschien als dunkle Grauschattierung. Er wunderte sich darüber. Im Licht einer Taschenlampe konnte man Farben sehen, aber im Mondschein nicht. Seltsam.
    Nick blieb stehen und nahm Julies Arm. »Sieh mal«, sagte er und zeigte nach oben.
    »Was denn?«, fragte Julie.
    »Da vorne. Fast ganz oben.«
    Benny suchte den mondbeschienenen Hang ab. Er sah dunkle Flecken, ein paar verstreute dürre Bäume, die wie einsame Beobachter zu ihnen herabblickten.
    »Oh ja«, sagte Julie.
    »Ich seh nichts«, flüsterte Heather.
    »Ich schon«, meinte Rose. »Sind das Hunde?«
    »Coyoten«, klärte Nick sie auf.
    Nun entdeckte Benny zwei schlanke graue Gestalten, die steifbeinig über einen Vorsprung hoch oben am Hang stolzierten. Sie hatten lange Schnauzen und Schwänze so buschig wie Eichhörnchen.
    »Ich kann immer noch nichts …«, begann Heather.
    Benny bückte sich zu ihr herab und zeigte ihr die Coyoten.
    »Oh Mann«, ächzte sie.
    »Mach dir keine Sorgen«, sagte Benny. »Die tun niemandem was.«
    »Ach ja?«, meinte Julie. »Ein Coyote hat letztes Jahr ein vierjähriges Mädchen in seinem eigenen Garten getötet.«
    »Wo?«, fragte Nick.
    »Zu Hause in L. A. In einer der Wohnsiedlungen in den Canyons. Der Coyote ist einfach aus den Hügeln hinter ihrem Garten heruntergekommen und hat sie totgebissen.«
    »Lasst uns hier verschwinden«, wisperte Heather.
    »Alles im Lot«, sagte Nick. »Sie sind ein ganzes Stück weiter oben. Außerdem wagen sie sich bestimmt nicht an fünf Leute heran.«
    »Wenn sie nicht gerade hungrig sind«, fügte Julie hinzu.
    Nick lachte nervös und ging wieder los. Bald darauf sah Benny den Schein des Lagerfeuers auf der anderen Seite des Sees. Als sie sich genau gegenüber befanden, konnte er die Zelte und die Erwachsenen, die um das Feuer saßen, erkennen.
    »Hal-lo«, rief Julie.
    Niemand antwortete. Bestimmt ist der Wind zu laut, dachte Benny.
    Sie gingen weiter. Benny blieb dicht bei Heather. Sie humpelte immer noch ein wenig. Manchmal, wenn sie über Steinhaufen klettern mussten, lief Benny vor und reichte ihr die Hand. Es gefiel ihm, ihr zu helfen. Sie war nicht so frech wie ihre Schwester. Und sie schien noch nervös wegen der Coyoten zu sein. Alle paar Schritte drehte sie sich um. »Mir gefällt es hier nicht«, sagte sie nach einer Weile.
    »Es gibt hier nichts, wovor man Angst haben müsste«, beruhigte Benny sie.
    Sie blickte sich um. »Was ist das?«
    Benny wirbelte mit klopfendem Herzen herum. »Das? Nur ein Busch.«
    »Bist du sicher?«
    »Sicher bin ich sicher«, sagte er, starrte aber weiter den dunklen, buckligen Umriss an. Das Ding war gerade einmal zwei Meter entfernt, lag jedoch im Schatten einer Felsnase, so dass er es kaum erkennen konnte. Es war doch ein Busch, oder? Die Furcht kroch eiskalt an seinem Rücken empor. »Komm.« Er nahm Heathers Hand und zog sie voran. Sie ging seitlich hinter ihm her und blickte weiter zurück. Dann beeilten sie sich, die anderen einzuholen.
    Benny war froh, als er sah, dass sie fast das andere Ende des Sees erreicht hatten. Gleich hinter einem Felsausläufer vor ihnen begann wieder der Wald. Dort würden sie bloß noch zurück

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