Der Wald: Roman
Platschen. Nicht weit von ihr schwamm jemand. Er kam näher.
Geh weg, dachte sie. Wer immer du bist, geh weg und lass mich in Ruhe.
Das Geräusch endete unter ihren Füßen. Sie machte sich nicht die Mühe, sich umzusehen.
»Du bist ziemlich schnell.«
Nick.
»Ein neuer Weltrekord«, sagte sie.
»Was dagegen, wenn ich raufkomme?«
»Mir egal.«
Sie hörte erneut ein Platschen, dann tropfende Geräusche, als er auf den Fels kletterte. Er setzte sich dicht neben sie und lehnte sich auf seine ausgestreckten Arme zurück. Sein schlanker Bauch, von dem das Wasser rann, hob sich, als er Luft holte. »Bist du sauer auf mich?«, fragte er.
»Warum sollte ich sauer sein?«, murmelte Julie und drehte das Gesicht weg, damit sie ihn nicht ansehen musste.
»Ich weiß nicht. Weil du wegen mir ins Wasser gefallen bist?«
»Nein, deshalb nicht.«
»Also bist du doch sauer. Was hab ich gemacht?«
»Nichts«, presste sie hervor.
»Ich kapier’s nicht.«
»Schon gut. Du musst nicht alles verstehen.«
»Oder ist es, weil ich dich angestarrt habe? Wie neulich Nacht, als du mich angeschrien hast?«
»Ich hab nicht geschrien«, protestierte sie.
»Du hast gesagt: ›Mach doch ein Foto. Da hast du länger was von.‹ Wenn es das war, tut es mir leid. Wirklich. Aber es ist schwierig, dich nicht anzusehen. Du bist so …« Er zögerte.
»Was?«
»Also, du weißt schon … schön. Ich hab versucht, dich nicht anzuglotzen, aber dann bist du mit diesem … mit dem, was du jetzt anhast, gekommen und …«
Sie hob den Kopf und sah Nick an. Er blickte betrübt auf den See hinaus. »Du glaubst also, ich wäre sauer, weil du mich angestarrt hast?«
»Hm, ja.«
»Das macht mir nichts aus.«
»Bist du sicher?«
»Ja, absolut.« Julie drehte sich um. Sie legte den Kopf auf die verschränkten Hände. Ihr Herz klopfte wild, und ihr Mund war plötzlich ganz trocken. Sie leckte sich über die Lippen. Nick sah immer noch nach vorn. »Wenn du es wirklich wissen willst – ich hab mich geärgert, weil du Karen angestarrt hast und nicht mich.«
Er schüttelte den Kopf, als würde er diese Vorstellung nicht akzeptieren, dann drehte er sich zu ihr und blickte sie an. Er schien zugleich zu grinsen und die Stirn zu runzeln und wirkte sehr verwirrt. »Meinst du das ernst?«
»Ich weiß, ich sollte dir keinen Vorwurf machen. Ich meine, du bist ein Mann und … wie du gesagt hast … sie ist wunderschön. Und ihr Badeanzug …«
»Du wirst es nicht …«
»Was?«
»Vergiss es.« Er sah zur Seite.
»Komm, sag’s mir.«
»Es ist zu peinlich.«
Julie lächelte. »Für wen?«
»Für mich, glaub ich. Und vielleicht auch für dich.«
Sie stützte sich auf die Ellbogen. »Erzähl.«
»Also … wegen Karens Badeanzug. Als ich sie angeglotzt habe. Du wirst es nicht glauben, aber ich hab mir vorgestellt, wie du darin aussehen würdest.«
»Das soll ein Witz sein, oder?«, fragte Julie im Flüsterton. Ihr Herz raste jetzt, und sie war kurzatmig. Sie setzte sich auf, um besser Luft zu bekommen.
»Das war kein Scherz«, sagte Nick. »Ich meine, ich hab natürlich nichts gegen deinen Bikini. Ich hab nur versucht, mir auszumalen, wie du darin … ach, ich hab doch gesagt, dass es peinlich ist.«
»Ein bisschen schon«, gab sie zu.
Er beugte sich vor, legte die Hände auf die Knie und ließ den Kopf hängen. »Ich glaub, ich bin ein echter Lustmolch.«
»Anscheinend«, sagte Julie. Zum ersten Mal bemerkte sie entferntes Lachen und Plätschern. Doch ein Felsvorsprung versperrte ihr den Blick auf die Leute im See. Sie legte eine Hand auf Nicks Rücken. Er erschrak und zuckte ein wenig. Dann sah er ihr in die Augen. Lange Zeit, während ihre Hand sich auf und ab bewegte, blickten sie sich an. Seine Augen verweilten auf den ihren, studierten aufmerksam ihr Gesicht, folgten dem Schwung des Halses, schielten auf ihre Brüste und sprangen zurück zu den Augen, als wollte er um Erlaubnis bitten. Ein leichtes Lächeln umspielte Julies Lippen. Sie wandte sich zur Seite und streckte die Hand nach seiner Schulter aus. Während sie ihn zu sich drehte, beugte sie sich vor. Sie hielt ihn fest, und er blickte nach unten von einer Brust zur anderen. Schließlich sah er ihr wieder in die Augen. Er schob eine Hand unter ihrem Arm hindurch auf ihren Rücken und zog sie näher zu sich. Auch sein anderer Arm legte sich um sie. Er drehte sie noch ein Stück weiter. Julie spürte, wie sie zu kippen begann. Nicks Augen weiteten sich vor Schreck. Dann fiel er, ohne
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