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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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geöffneten Lippen.
    Scott starrte auf die dunklen schrägen Zeltwände über sich und lauschte auf Bennys Atem. Er glaubte nicht, dass der Junge schon schlief. Während er wartete, strich er über das Sweatshirt, das er auf Brust und Bauch gebreitet hatte. Er stellte sich Karen nur in ihrer Jogginghose vor.
    »Dad?«, fragte Benny.
    »Was?«
    »Glaubst du, es war wahr?« Er klang beunruhigt. »Die Geschichte von dem Mann und dem Arm?«
    »Nein, natürlich nicht.«
    »Er hat gesagt, es wäre wirklich passiert.«
    »Es stimmt aber nicht. Tote stehen nicht auf und laufen durch die Gegend.«
    »Hast du schon mal was von Zombies gehört?«
    »Ich glaub schon«, sagte Scott und grinste im Dunkeln.
    »Das sind tote Leute, die mit Voodoo wieder ins Leben zurückgeholt werden. Man vermutet, dass es sie wirklich gibt. In Haiti oder so, weißt du? Ich hab davon gelesen.«
    »Du solltest lieber Die Hardy Boys lesen anstatt diesen verrückten Quatsch.«
    »Glaubst du nicht, dass es Zombies gibt?«
    »Ich bezweifle es ernsthaft.«
    »Und was ist mit Hexen und Vampiren und Werwölfen und Geistern?«
    Scott schlang die Arme um das weiche Sweatshirt. »Es ist schon schrecklich spät, Benny. Können wir nicht morgen weiter darüber reden?«
    »Wenn du meinst«, sagte er. Es klang enttäuscht.
    Scott seufzte. »Ich glaube, das existiert alles nur in der Fantasie der Leute. Sie haben sich das ausgedacht, um sich gegenseitig Angst einzujagen, so wie Karens Geschichte von Doreen und Audrey oder Flashs von dem abgeschnittenen Arm. Alles nur Geschichten.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Benny.
    »Tja, das ist nur meine Meinung. Ich habe nicht wie du Hunderte von Büchern zu dem Thema gelesen, aber ich laufe seit achtunddreißig Jahren durch die Gegend und bin von Dingen, die nachts durch die Gegend spuken, überwiegend verschont geblieben. Wenn es da draußen Zombies und Geister gibt, dann kümmern sie sich um ihren eigenen Kram. Ich hab deswegen noch keine schlaflosen Nächte verbracht – bis jetzt.«
    »Ich glaub, du willst, dass ich still bin.«
    »Wir haben morgen eine lange Wanderung vor uns.«
    »Ich bin nicht besonders müde.«
    Großartig. »Versuch, an was Angenehmes zu denken.«
    »Okay. Ich probier’s. Gute Nacht.«
    »Nacht, Benny.« Scott hörte, wie sein Sohn seufzte und sich umdrehte. Er legte sich auf die Seite, kuschelte sein Gesicht an das Sweatshirt und fragte sich, ob Karen wohl ohne es fror. Nein, der Schlafsack würde sie wärmen. Und bald würde er bei ihr sein. Falls Benny einschlief.
    Karen fragte sich, ob er heute Nacht kommen würde. Vielleicht nicht. Er könnte sich Sorgen wegen des Wetters machen. Wenn er käme und es zu regnen begänne, würde Julie ihn erwischen. Das wäre peinlich für alle Beteiligten.
    Aber beim Gutenachtkuss hatte er ihr zugeflüstert: »Bis später.« Also hatte er offensichtlich vorgehabt, die Gelegenheit zu nutzen. Natürlich könnte er seine Meinung geändert haben.
    Es war noch früh. Er konnte nicht aus seinem Zelt heraus, ehe Benny eingeschlafen war. Und er musste auch wegen Julie und Nick aufpassen. Allen genug Zeit geben, tief zu schlummern.
    Könnte sein, dass sie lange warten musste.
    Eine ihrer Schultern war kalt. Der Schlafsack knisterte auf der Haut, als sie tiefer hineinrutschte. Sie schlug die Beine übereinander, faltete die Hände über dem Bauch und blickte lächelnd in die Dunkelheit. Scott würde angenehm überrascht sein, wenn er kam und merkte, dass sie bereits nackt war.
    Wenn er kam.
    Er wird kommen, sagte sie sich. Oh ja.
    Sie wünschte sich, einschlafen zu können. Obwohl jeder Muskel von dem schrecklich Aufstieg mit dem schweren Rucksack schmerzte, war sie überhaupt nicht müde. Sie zitterte förmlich vor Erwartung.
    Schließlich hörte sie ein leises Knacken hinter dem Zelt. Durch das Geräusch des Windes war es kaum wahrnehmbar. Es könnte nur ein Pinienzapfen gewesen sein, der vom Baum gefallen war, oder aber ein Schritt. Sie atmete bebend aus und horchte. Einen Moment lang hörte sie nichts als den Wind durch die Bäume und Felsspalten rauschen. Dann ertönte erneut ein leises Knacken. Dieses Mal gab es keinen Zweifel, dass es ein Schritt war.
    Er ist sehr vorsichtig, dachte sie. Vielleicht ist er nicht sicher, dass Julie schläft.
    Mit zittriger Hand öffnete sie den Reißverschluss des Schlafsacks.
    Die Schritte endeten vor dem Zelteingang. Karen hörte, wie die Klappe raschelnd beiseitegeschoben wurde. Sie schloss die Augen und wartete. Ihr Herz klopfte

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