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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Morgenmantels. »Wo hast du das Veilchen her? Bist du gegen einen Baum geknallt oder hat Scott dir eine runtergehauen?«
    »Ein Mann hat mich angegriffen.« Karen zog die Schuhe aus und lehnte sich zurück in das weiche Polster.
    Meg zündete sich stöhnend die Zigarette an. Sie atmete den Rauch tief ein und stieß ihn durch die Nasenlöcher wieder aus. »Was meinst du mit ›angegriffen‹?«
    »Er hat mich vergewaltigt.«
    »Großer Gott! Ist das dein Ernst? Bist du verletzt?«
    »In erster Linie blaue Flecken.«
    »Allmächtiger«, ächzte sie. »Das darf doch nicht …« Sie schüttelte den Kopf. In ihrem Gesicht spiegelte sich Empörung. »Wie konnte das passieren? Du warst doch mit einer ganzen Armee unterwegs.«
    »Ich war allein im Zelt.«
    »Das muss ja … Karen, Karen.«
    »Ich habe keine Erinnerung daran. Er hat mich bewusstlos geschlagen. Scott war bei mir, als ich wieder zu mir gekommen bin.«
    Die Zigarette zitterte in Megs Fingern, während sie sie an die Lippen hob. »Was ist aus dem Schwein geworden, das dir das angetan hat?«
    »Er wurde getötet.«
    »Gut. Ich hoffe, er ist langsam gestorben. Ich hätte ihm den Schwanz abgeschnitten.«
    »Dann bin ich froh, dass du nicht dabei warst«, sagte Karen. Sie legte die Füße auf den Wohnzimmertisch und verschränkte die Hände vor dem Bauch. »Ich bin überall wund«, stöhnte sie. »Wir sind an einem Tag zurückgelaufen – eine Nacht und einen Tag. Dann haben wir noch einen halben Tag im Büro des Sheriffs verbracht. Und dann noch ein paar Stunden in irgendeinem Krankenhaus, um uns auf Tollwut untersuchen zu lassen.«
    »Tollwut? War das Schwein tollwütig?«
    Karen schüttelte den Kopf und wimmerte, als ihre steifen Nackenmuskeln gedehnt wurden. »Wir haben uns Sorgen wegen des Messers seiner Mutter gemacht.«
    »Seiner Mutter? «
    »Ja.« Sie erzählte ihr, dass die Zelte aufgeschlitzt, alle außer Flash und Nick geschnitten worden waren und anschließend die Mutter aufgetaucht war, um sie zu verfluchen.
    »Wie in einem beschissenen Horrorfilm«, sagte Meg. »Was war das für eine? Eine Art Hexe?«
    »Das hat Benny gesagt. Er ist ziemlich verstört wegen der ganzen Sache.«
    »Und du nicht?«
    »Ein Fluch raubt mir nicht den Schlaf. Schlaf, ha! Ich weiß gar nicht mehr, was das ist. Ich fühle mich, als hätte ich seit einer Woche nicht mehr geschlafen.«
    »Vielleicht solltest du dich lieber hinhauen.«
    »Seltsam, ich bin gar nicht müde. Nur zittrig und neben der Spur. Ich habe ein Gefühl im Bauch, als müsste ich gleich kotzen. Aber ich muss sowieso erst baden. Wahrscheinlich wird das Wasser pechschwarz.«
    »Kann ich irgendwas für dich tun? Dir was zu essen machen?«
    »Nein, danke. Wir haben unterwegs gegessen.«
    »Wie wär’s mit einem Drink? Du kannst bestimmt einen ordentlichen Schluck gebrauchen.«
    »Ja. Ich könnte mir ein Alka-Seltzer hinter die Binde kippen. Ich hol mir eins.« Sie erhob sich mühsam vom Sofa und humpelte zur Küche. Meg überholte sie, schaltete das Licht an und ging zu einem Küchenschrank. »Gab’s Ärger mit der Polizei?«
    »Sie schicken eine Einheit los, um nach der Leiche zu suchen. Ich glaube, es gibt keine gerichtliche Untersuchung oder so, ehe sie etwas gefunden haben.«
    Meg füllte ein Glas mit kaltem Leitungswasser.
    »Niemand kann mit Sicherheit sagen, ob der Mann wirklich tot ist. Wir nehmen es an, aber so, wie er verschwunden ist …«
    »Großer Gott.«
    »Wir glauben, dass die Mutter ihn mitgenommen hat. Jedenfalls forscht die Polizei nach.« Sie nahm das Glas von Meg entgegen. »Sie haben gesagt, sie würden mit uns in Kontakt bleiben.«
    »Was für ein Mist.«
    »Ja.«
    Meg kehrte ins Wohnzimmer zurück. Karen ging mit dem Glas durch den kurzen Korridor zum Bad. Sie öffnete das Medizinschränkchen über dem Waschbecken und fand eine Packung Alka-Seltzer. Ihre Hände zitterten heftig, als sie versuchte, die Folie aufzureißen. Schließlich öffnete sie sie mit den Zähnen. Sie warf zwei Tabletten in das Glas.
    Während sie darauf wartete, dass die Tabletten sich auflösten, betrachtete sie ihr Spiegelbild. Sie sah genauso schlecht aus, wie sie sich fühlte. Ihr blondes Haar war dunkel und strähnig, das Gesicht geschwollen und voller blauer Flecken. Unter den Augen lagen tiefe Schatten. Die Augen selbst wirkten wie die einer verwirrten, ausgezehrten Fremden. Sie betastete den Schnitt über ihrer rechten Braue und spürte den winzigen Grat der Blutkruste. Als sie mit den Fingern durch ihr Haar

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