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Der Wald: Roman

Der Wald: Roman

Titel: Der Wald: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Laymon
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Er schämte sich, weil er eingeschlafen war. Das würde ihm nicht noch einmal passieren.
    Als er wieder müde würde, ging er ins Zelt, um seine Zigarren zu holen. Er kehrte zur Feuerstelle zurück, wickelte eine Zigarre aus und klemmte sie sich zwischen die Zähne. Dann zog er den Poncho so weit nach vorn, dass die Zigarre vor dem Regen geschützt war. Um sich seine Nachtsicht nicht zu verderben, schloss er die Augen, während er das Streichholz anzündete. Danach gab es nur noch das schwache rote Glühen der Zigarre. Flash rauchte langsam. Als nur noch ein heißer, bitterer Stumpen übrig war, ließ er die Zigarre fallen und zertrat sie unter seinem Schuh. »Bist du noch unter uns?«, fragte er Nick.
    »Ich bin wach.«
    »Ich dreh eine Runde.«
    Er stand auf und streckte den steifen Rücken. Seine Lampe erforschte die Dunkelheit vor ihm. Eine Gestalt huschte hinter einer der Pinien hervor, und sein Herz setzte für einen Schlag aus. Nur ein Schatten. Er überzeugte sich davon, dass niemand zwischen den Bäumen oder den Felsen lauerte, dann leuchtete er hinter das erste Zelt.
    Einen Augenblick lang dachte er, der gut halbmeterlange vertikale Schnitt wäre nur eine weitere Täuschung des Lichts – nichts als ein Schatten. Er bückte sich, legte das Messer auf den Boden und berührte die Stelle. Der Stoff teilte sich, und seine Finger glitten hinein.
    »Oh Gott«, stöhnte er.
    Flash steckte die Taschenlampe durch den Schlitz und zog ihn weiter auseinander. Er ließ sich auf die Knie fallen und spähte hinein.
    Scott blinzelte zu ihm auf. Er wirkte erschrocken. Seine Stirn war blutverschmiert.
    »Ich bin’s«, sagte Flash.
    »Was zum Teufel machst du?«
    Karen, die mit Scott im Schlafsack lag, hob den Kopf. Sie kniff die Augen zu, als sie in den Lichtstrahl blickte. Die linke Gesichtshälfte war geschwollen und verfärbt. Genau wie der Mund und das Kinn. Ein frischer Blutfleck glänzte über einer Braue.
    »Flash?«, sagte Scott.
    »Jemand war hier. Ich muss …« Er stieß sich vom Zelt ab, stolperte zurück und fing sich wieder. »Nick!«, rief er. »Sieh nach Julie!« Er rannte an Julies Zelt vorbei und erfasste mit einem Auge den Schnitt in der Wand. Bei seinem war es dasselbe. Er warf sich hinter dem letzten Zelt auf die Knie, stieß die Taschenlampe durch den Schlitz und riss ihn weit auseinander. Alice fuhr auf.
    »Ich bin’s.«
    Ihre Stirn war blutig.
    »Was ist hier …«
    »Sieh nach, ob es den Mädchen gutgeht.«
    Rose hob schon den Kopf. Sie blinzelte ins Licht. Auf ihrer rechten Wange befand sich Blut.
    Alice rüttelte Heather wach. Sie hatte sich im Schlafsack vergraben. Als sie herausrutschte, sah Flash einen kleinen Blutfleck oben auf ihrem Kopf.
    Alice betastete das blutige Haar ihrer Tochter und sah auf ihren Finger. »Was geht hier vor?«, fragte sie mit leiser, ängstlicher Stimme.
    »Ich weiß es nicht«, sagte Flash. »Jemand …«
    »Es geht ihnen gut!«, rief Nick. »Aber sie sind beide geschnitten worden.«
    »Zieht euch an«, sagte Flash ins Zelt. »Wir verschwinden hier.«
    »Heute Nacht?«, fragte Alice.
    »Jetzt sofort. Wir packen so schnell wie möglich zusammen.«

24
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    Benny saß auf seinem Schlafsack und schob einen Fuß in den Schuh, während Julie den Poncho über den Kopf zog. Sie kroch zum Zelteingang, den Nick für sie aufhielt. »Lass mich nicht allein«, bat Benny.
    »Okay. Aber beeil dich.« Sie wartete. »Weiß du, was hier los ist?«, fragte sie Nick.
    »Keine Ahnung.«
    Benny zog den zweiten Schuh an. »Fertig«, sagte er. Er schnappte sich seinen Poncho und folgte Julie. Draußen schlüpfte er in den Poncho.
    Flash kam hinter dem letzten Zelt hervor.
    »Geht es allen gut?«, rief Nick.
    »Sie sind nur geschnitten worden. Nichts Ernstes. Gott!«
    »Sie wurden alle geschnitten?«, fragte Nick.
    »Alle.«
    »Mich hat’s nicht erwischt.«
    »Mich auch nicht.«
    Die Klappe von Karens Zelt wurde aufgeschlagen, und Scott kam in einen Schlafsack gewickelt heraus. Karen kroch hinterher. Sie trug eine graue Jogginghose und einen gesteppten Parka, der ihr lediglich bis zur Taille reichte, und hatte den schlaffen Hut aufgesetzt. Die Füße waren nackt.
    Als er sie ansah, bekam Benny ein hohles Gefühl in der Brust. »Bist du schlimm verletzt?«, fragte er.
    »Nicht so schlimm«, sagte sie. Sie zog eine Hand aus der Tasche und streckte sie ihm entgegen. Er nahm sie sanft.
    »Ich finde, wir sollten unsere Ärsche in Bewegung setzen und von hier verschwinden«, sagte Flash.

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