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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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schick und modern. Viel schicker als ihr Elternhaus. Was sie wohl sagen würden, wenn sie es sehen könnten? Sie sieht ihre Eltern vor sich, wie sie staunend von einem Zimmer zum anderen gehen. Was für eine entzückende kleine Stube! Was für eine praktische und schöne Küche! Und was für einen hübschen kleinen Garten du hast! Ihr habt es wirklich schön hier.
    Aber sie kommen nicht. Obwohl sie sie eingeladen hat, kommen sie nie. Vater will sie nicht mehr sehen, Mama darf sie nicht mehr sehen. Niemand sieht ihr Haus oder ihr Kind. Aber sie hat Geld bekommen. Sie hat sich ihr Erbteil auszahlen lassen und davon das Haus gekauft.
    Das Baby wächst heran zu einem kleinen Jungen, der früh laufen kann. Die Nachbarsfrauen sehen sie schief an. Allein mit einem kleinen Kind. Unehelich. Deutschenliebchen? Nur Aslaug, die nebenan wohnt, ist nett und umgänglich. Aslaug ist freundlich, auch zu einer ledigen Mutter. Und sie glaubt alles, was man ihr erzählt. Sie kennt die anderen Weiber und fürchtet sie nicht. Aslaug nickt mitfühlend, wenn Evelyn erzählt, dass sie Kriegswitwe ist. Dass er für England flog und abgeschossen wurde. Sie nickt mitfühlend, wenn Evelyn erzählt, dass ihre Familie verschollen ist, sie wollten über die Grenze fliehen, und seitdem hat sie niemand mehr gesehen. Und Aslaug erzählt bereitwillig weiter, dass nur Evelyn und das arme vaterlose Kind noch übrig sind.
    Dann bricht plötzlich der Frieden aus, und alles gerät durcheinander. Die ganze schöne Ordnung ist dahin. Der Frieden kommt mit Lärm und Jubel und Aufruhr in den Straßen. Wimmelnde Menschen mit wilden, begeistert glühenden Gesichtern. In diesem Trubel lässt sich nichts vorhersehen, alles kann passieren. Evelyn schaut aus dem Küchenfenster. Scharenweise laufen Leute vorbei, die norwegische Flagge schwenkend. Weit dahinter kommt eine Gruppe deutscher Soldaten, die nicht marschieren, sondern langsam und gebeugt die Straße hinunterschleichen, die Augen fest auf den Boden gerichtet. Ach, du lieber Gott, wo soll das nur enden?
    Sie nimmt den Jungen, öffnet die Gartenpforte und geht hinunter nach Gamlebyen. In der Senke bei Dyvekes Bro haben Leute einen Scheiterhaufen aus Verdunklungsrollos angezündet. Sie schreien und rufen einander zu, tanzen um die knisternden Flammen. Unten in der Bispegata hört sie Gerüchte. Ein Denunziant soll sich in seiner Wohnung verschanzt haben. Aber sie werden ihn ausräuchern, werden die fette Ratte schon aus ihrem Bau holen. Aus der anderen Richtung kommt eine Schar Männer mit Rucksäcken und strahlenden Gesichtern, Widerstandskämpfer, die in den Wäldern in Deckung gelegen haben. Sie denkt: Was wohl aus Vater wird, und wie viele wird er bei seinem Sturz mitreißen?
    Sie dreht sich um, macht sich auf den Heimweg. In der Alnagata sieht sie eine Menschentraube auf der anderen Straßenseite und bleibt stehen. Eine Schere blitzt auf. Skalpieren!, ruft jemand. Die anderen, Männer wie Frauen, rufen: Deutschenhure! Deutschenhure! Nach einer Weile stürzt ein junges Mädchen aus der Gruppe hervor. Sie weint, und auf ihrem Kopf sind nur noch ein paar hässliche Haarbüschel übrig.
    Evelyn nimmt den Jungen auf den Arm und läuft heim. Verschließt die Gartenpforte, schließt die Haustür ab und wartet. Aber niemand kommt. Keiner zerrt sie aus dem Haus. Keiner sperrt sie ein, wegen ihrer Familie oder der Rolle, die sie bei dem Tod des Russenhäftlings gespielt hat. Und während die Monate verstreichen, begreift sie, dass zu Hause in ihrem Dorf alles beim Alten ist. Sie haben dichtgehalten, alle zusammen. Diejenigen, die die Wahrheit hätten ans Licht bringen können, sind ja tot. Alle Schuld wird den fliehenden Deutschen gegeben. Die Dorfbevölkerung trifft keine Strafe, es ist, als wäre nie etwas geschehen. Ein Blutweg liegt dort und Hektar um Hektar gerodeter Wald. Aber nur sie hat ihre Strafe bekommen. Die Fessel am Fuß, die Bleikugel. Das verdammte Kind, das sie auf den Grund ziehen oder sie in die Luft sprengen wird wie eine Mine.
     
    Ihre Augenlider flattern. Der rote Stern wird immer kleiner und undeutlicher. Sie sinkt hinab und denkt, heute Nacht werde ich fortgehen. Werde im Dunkel verschwinden. Ich will nicht, flüstert sie und reißt die Augen weit auf. Starrt auf den Stern und sagt sich, dass es nur ein Knopf ist. Am Ende wird sie doch müde und fällt wieder in den Schlaf.
    Sie erwacht abrupt von lautem Keuchen. Die Alte im Nachbarbett stöhnt und ringt nach Luft. Evelyn streckt den Arm aus,

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