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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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schlafen noch ein bisschen. Und morgen fahren wir nach Hause.»
    Erst wartete ich in Weiß, kreidebleich. Danach wurde es gelblich, dann so eine Art grünliches Grau, und dann lila mit schwarzen Flecken. Ich wartete, aufgedunsen und durchscheinend wie ein Apfel aus Glas, wartete ein ganzes Schimmelstadium lang. Dick, gelbweiß und noch abzuschaben, ehe das entsprechende Kleingetier den Weg fand und die mühsame Arbeit verrichtete, mich vollständig auszukleiden.
    Weißt du noch, wie es war einzuschlafen? Natürlich erinnerst du dich. Du tust es ja noch immer! Du treibst langsam in den Schlaf, sodass du nicht weißt, wann du verschwindest. Deine Umgebung lässt dich los. Du fällst in die Dunkelheit und kommst an andere Orte, aber wenn die Dämmerung kommt, wenn der Himmel sich von der Erde hebt und blau wird, kehrst du zurück. Die Vögel singen, bis dir die Träume entgleiten. Bin ich noch in deinen Träumen? Komm her, schau mich heute an. Hilf mir, in Schlaf zu fallen, tiefer denn je.

[zur Inhaltsübersicht]
    34
    Wilhelm steht in der Senke, blickt hinauf zur Hütte im ersten Grauschimmer des Morgens. Er sieht, wie die Zeit ihr zugesetzt hat. Jetzt wird die Arbeit vollendet, innerhalb weniger Sekunden. Nur ein Streichholz, und sie geht in Flammen auf, wird zu Asche. Stille wird einkehren. Alles wird vergessen sein.
     
    Sie waren noch nicht schlafen gegangen, obwohl draußen schon schwarze Nacht war. Aber der Junge lag im Bett und schlief. Sie stand an der Anrichte, als er hereinkam, um zu essen. Ein normaler Abend nach einem normalen Tag. Er hatte Holz gemacht. Hatte mehrere kleine Baumstämme geschlagen und zersägt. Anschließend hatte er die großen Kloben mit der Axt auf dem Hauklotz in Scheite gespalten. Die Holzscheite hatte er an der einen Wand aufgestapelt und gedacht, dass er eine Art Dach darüber bauen müsste. Sie war die meiste Zeit des Tages drinnen beschäftigt gewesen, er wusste gar nicht recht, womit. Aber als er hineinging, merkte er, dass frisch geputzt war. Es roch nach grüner Seife.
    Am Nachmittag hatte sie mit dem Jungen gespielt. Hatte ihn auf die kleine Schaukel gesetzt, die er an der Kiefer angebracht hatte, und ihn angeschubst. Der Junge lachte vor Vergnügen, er konnte ewig so dasitzen, vor und zurück schaukeln. Und sie wurde es offenbar auch nicht leid, ihn anzuschubsen.
    Übrigens war es kein normaler Tag. Er hatte länger gearbeitet als sonst. Er wusste, dass sie viel Holz für den Winter brauchen würden. Sehr viel Holz. Sie mussten einen ausreichenden Vorrat anlegen. Er hatte durchgearbeitet, bis es dunkel wurde. Bis die Dämmerung kam und er kaum noch sehen konnte, wohin die Axt traf. Als es Zeit fürs Abendessen war, hatte er die Axt mit hineingenommen. Warum nahm er die Axt mit? Er hätte sie in den kleinen Schuppen bringen können. Aber er wollte ihr wohl zeigen, wie hart er gearbeitet hatte. Als hätte sie nicht gesehen und gehört, wie er den ganzen Tag geschuftet hatte.
    Er setzte sich aufs Sofa und wartete. Er war sehr hungrig. Sie stand an der Anrichte und kochte etwas auf dem Gaskocher. Es roch angebrannt. Sie stellte es in einer Schüssel auf den Tisch, irgend so ein Dosenfraß, und sie hatte es fertiggebracht, ihn in dem kleinen Topf anbrennen zu lassen. Sie stellte es ihm hin wie einen Hundenapf. Einfach so. Es roch widerlich und schmeckte nicht. Er machte eine Bemerkung. Sagte irgendwas darüber. Nicht laut, er schrie auch nicht, sondern sagte es in einem sachlichen Ton. Trotzdem krümmte sich ihr Rücken. Sie drehte sich wieder zu ihm um und sah ihn an, mit
dem
Blick. Und dann seufzte sie, fast unhörbar. Aber nur fast. Er fand sich ja damit ab, er aß es ja. Wenigstens das meiste. Es hatte im Übrigen nichts mit dem Essen zu tun. Es wäre nicht passiert, wenn sie nicht hinterher damit angekommen wäre. Wenn sie sich neben ihn gesetzt hätte, so wie sie es sonst auch tat, und nicht ihm gegenüber. Auf den Stuhl. Aber nicht, um zu essen. Sie aß nichts. Hatte wohl keine Lust auf den widerlichen Dosenfraß. Vielleicht hatte sie schon etwas Anständiges gegessen, zusammen mit dem Jungen, während er sich draußen mit dem Holz abmühte?
    Er trank ein Bier oder zwei. Vielleicht drei. Brauchte Bier, um den Fraß runterzukriegen. Sie trank auch ein kleines Glas. Sie hatte ihn nicht angesehen, nicht direkt. Hatte zur Seite geblickt, war sich mit der Hand durchs lange Haar gefahren. Hatte gesagt: Ich muss mit dir reden. Als wäre es so einfach. Darüber reden und fertig.

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