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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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Schlitten den steilen Berg hinabraste, wo man die Autos nicht sehen konnte, die in voller Fahrt zwischen der Häuserreihe herausgeschossen kamen. Wollte es ihnen zeigen, als er den steilen Hang hinaufkletterte, während die Steine unter seinen Füßen wegrutschten, oder als er unten in der Senke über die Bahngleise lief. Hatte er ein Leben, auf das es aufzupassen galt? Gab es etwas zu beschützen? Wenn er eine große Steinlawine losgetreten hätte und sein magerer Körper zerschmettert worden wäre, wenn ein heranrasender Zug ihn auf den Gleisen zerrieben hätte – hätte es irgendjemanden gekümmert?
    Er geht noch ein paar Schritte weiter, merkt, wie erschöpft er ist. Spürt, wie der Kopfschmerz wieder bohrt. Nein, er kann nicht. Noch nicht. Er muss sich ausruhen, bevor er sie wiedersieht. Entspannen. Sich ein Hotelzimmer suchen. Schlafen.

[zur Inhaltsübersicht]
    13
    Sie erwacht steif und halb zusammengekrümmt auf dem Sofa. Die Tracht schnürt sie ein, und die Brosche an der Bluse drückt gegen den Hals. Der Fernseher ist immer noch an, ein flimmernder Lichtfleck in dem dunklen Zimmer. Auf der Mattscheibe läuft eine alte Komödie, eine muntere Abendgesellschaft in Schwarzweiß. Festlich gekleidete Menschen heben die Gläser und trinken sich zu, ehe sie sich vom Tisch erheben und anfangen, hintereinander herzulaufen. Sie tastet nach der Fernbedienung und schaltet den Apparat aus, erwischt die Broschennadel und die Haken des Leibchens und schafft es endlich, beides zu öffnen. Luft.
    Sie kann sich nicht erinnern, jemals in ihrem Trachtenkleid geschlafen zu haben. Aber ihr Gedächtnis ist ja auch nicht mehr so gut. Ist es schon Abend? Sie blickt hoch. Das Essen steht immer noch auf dem Tisch. Und das Möwenservice, das sie nur zu ganz besonderen Anlässen benutzt. Auf dem Tablett liegen die Brotzange und Schnittchen mit Krabben, mit Roastbeef und Remoulade, mit Räucherlachs und Rührei. Der Turmkuchen mit den acht Ringen, der Flagge und den Knallbonbons steht schön in der Mitte. Zwischen dem Blumenstrauß und der Flasche Känguruwein.
    Evelyn kommt mühsam vom Sofa hoch, schlurft in die Küche und weiter in den Flur. Nein, alles dunkel. Still. Sie ruft die Treppe hinauf: «Hallo?»
    Sie geht die Stufen hinauf. Schaut ins Schlafzimmer, dann ins Nähzimmer. Keiner da. Natürlich nicht, denn wenn sie gekommen wären, hätten sie sie geweckt. Die neue Türklingel, die sie letztes Jahr hat einbauen lassen, macht außerdem einen ohrenbetäubenden Lärm. Sie humpelt die Treppe wieder hinunter, bleibt vor dem Spiegel über der Anrichte stehen. Die Ärmel ihrer Trachtenbluse, die am Nachmittag noch so perfekt waren, sind völlig zerknittert.
    Sie wackelt in den dunklen Flur, öffnet die Haustür und geht auf den Treppenabsatz hinaus. Draußen ist auch niemand. Kein Mann, der kaum wiederzuerkennen ist und mit seinem Koffer den Berg heraufkommt, während er sich verblüfft umschaut. Das ist ja genau wie früher. Unten in der Stadt ist alles anders, aber hier ist es genau so, wie ich es in Erinnerung habe. Wo bleibt er? Welcher Er? Was bildet sie sich ein? Sie hat ja niemanden. Überhaupt niemanden. Schon seit einem Menschenalter nicht mehr. Natürlich kommt er nicht zurück. Wieso um alles in der Welt sollte er? Sie ist doch niemand, für den sich eine Rückkehr lohnt.
    Die Sonne ist untergegangen. Sie atmet die frische Abendluft ein, sieht zum Himmel hinauf, der die dunkelblaue Nachtfärbung hat, die so charakteristisch für den Herbst ist. Bald ist Winter. Bald erstarrt alles und wird hart und spröde. Bald zieht der Eiswind durch die Ritzen des alten Hauses, und es wird kalt sein, ganz gleich, wie viel sie heizt. Bald wird die Straße den Berg hinunter spiegelblank vereist sein, und sie kann nirgends mehr hingehen, ohne ihre Schuhspikes anzulegen. Aber selbst dann ist nicht ausgeschlossen, dass sie stürzt. Hält sie noch einen Winter durch?
    Wie schnell es im Frühling grün wurde. Wie rasch der Sommer vorbeiflog. Die Birke war im Nu ausgeschlagen. Im Handumdrehen stand sie in vollem Laub. Die Hecke war kaum weiß, da war sie auch schon wieder verblüht; sie hatte nicht einmal Zeit gehabt, ihren Seifenduft zu genießen. Und die Tulpen waren nur einen Moment lang rot, ehe sie sich neigten und flach hinlegten. Ganz zu schweigen vom Flieder, der kürzer blüht als alles andere und das Schönste ist, was sie sich vorstellen kann. War er in diesem Jahr überhaupt weiß, ehe er braun wurde?
    Evelyn dreht sich um und will

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