Der Wald wirft schwarze Schatten
fragt sie.
«Die Birne ist kaputt.»
«Dann musst du sie auswechseln. Habe ich dir von meinem Hausmeister erzählt?»
«Mehr als einmal.»
«So ein hübscher junger Mann, sag ich dir, und so hilfsbereit! Willst du mich nicht hereinbitten?»
«Ich wollte gerade zu Bett.»
«Aber was denn, heute ist doch der große Tag! Lass mich guten Abend sagen.»
«Guten Abend sagen?»
Aslaug schiebt sie zur Seite, drängt sich an ihr vorbei, und zu spät begreift Evelyn, was sie vorhat.
«Hallo!», ruft Aslaug.
«Er ist … müde von der Reise», murmelt Evelyn.
«So, na», sagt Aslaug, die sich schon bis zur Stube vorgearbeitet hat und nun den Tisch mit den Schnittchen und dem unberührten Kuchen entdeckt. Sinnlos, irgendetwas vor ihr geheim halten zu wollen.
«Ist er doch nicht gekommen?»
«Das Flugzeug hat … Verspätung.»
«Ah ja. Hat er denn angerufen und Bescheid gesagt?»
«Natürlich», flunkert Evelyn und überlegt fieberhaft, wie sie die Aufmerksamkeit von dem Thema ablenken könnte. Aber ihr fällt nichts anderes ein als Aslaugs Familienfeier, und davon will sie auf gar keinen Fall etwas hören. Trotzdem sagt sie: «Wie war es im Palmen?»
«Ganz wunderbar, du! Alle waren da! Ich habe Fotos gemacht, willst du sie sehen?»
«Danke, jetzt nicht.»
«So viel gutes Essen, sag ich dir! Ich bin immer noch pappsatt.»
Aslaug starrt auf den Tisch, auf den Turmkuchen, der wie ein Gipfel in der Mitte thront, überreich geschmückt.
«Das ist ja schade, dass er nicht rechtzeitig gekommen ist. Und dann der schöne Turmkuchen.»
Aslaug glotzt den Kuchen an. Am liebsten würdest du ihn in dich reinstopfen, denkt Evelyn.
«Möchtest du ein Stück?», fragt sie schließlich seufzend.
«Nein danke», sagte Aslaug, überlegt es sich aber sofort anders. Noch ehe Evelyn ihr etwas davon abschneiden kann, hat sie schon die Hand nach dem Kuchen ausgestreckt, den obersten Ring abgebrochen und sich auf Wilhelms Platz niedergelassen.
«Köstlich», murmelt Aslaug mit vollem Mund und nimmt sich noch einen Ring.
Evelyn stellt die Thermoskanne mit einem Knall auf den Tisch, bleibt stehen und starrt Aslaug an, die sich mit Kuchen vollstopft, ehe sie sich endlich auf dem Stuhl zurücklehnt, dick und zufrieden. Sie ist wirklich viel zu dick.
«Was riecht denn hier so?»
Evelyn schnuppert. Du heiliger Bimbam. Die Katastrophe im Bad. Es fängt schon an zu stinken.
«Ach, nichts», sagt sie. «Oder doch, mir ist wohl vorhin was angebrannt.»
«Tatsächlich? Ich finde nicht, dass es angebrannt riecht. Eher wie …»
«Du hast Fotos gemacht?», fällt Evelyn ihr ins Wort.
«Willst du sie wirklich sehen?»
«Gerne», seufzt sie schwer.
Aslaug holt einen Fotoapparat aus ihrer Handtasche, hantiert daran herum.
«Hast du schon mal von Digitalkameras gehört?»
«Natürlich», sagt Evelyn unsicher.
«Die haben mir Jostein und Marit zu Weihnachten geschenkt. Und inzwischen weiß ich auch, wie man damit umgeht. Hoppla, da bin ich ein bisschen zu weit zurückgegangen. Hier, Evelyn, die sind von der Busfahrt mit dem Seniorenzentrum, nach Svinesund!»
Evelyn starrt auf den kleinen Bildschirm.
«Sieh dir Iversen an, wie er grinst! Das macht er, weil er in seinem Rucksack Rum mitgeschmuggelt hat. Und hier, das sind Henry und Olga. Jetzt sind sie doch noch ein Paar geworden. Die haben sich ja schon als Kinder so gern gemocht. Du kannst dir nicht vorstellen, was das für eine lustige Fahrt war!»
«Doch, kann ich.»
«Warum bist du nicht mitgekommen?»
«Auf den Ausflug?»
«Das war so nett! Wieso willst du nie bei irgendwas dabei sein? Warum kommst du nicht runter ins Seniorenzentrum?»
Warum sollte sie? Da herumsitzen, eingequetscht auf einem Sofa, und versuchen, sich an Gesprächen zu beteiligen, die gelinde gesagt nicht der Rede wert sind. Wie die tauben Köpfe aneinander vorbeischreien. Plappern und schreien, in ansteigender Lautstärke. Aber da ist noch etwas anderes. Wenn sie ein seltenes Mal dort aufkreuzt, wird es irgendwie ein bisschen leiser an den Tischen, bevor das Gebrabbel wieder anschwillt. Egal, sie hat Wichtigeres zu tun, als dorthin zu gehen. Wenn sie das Haus verlässt, dann aus gutem Grund. Um einzukaufen, beispielsweise, oder weil sie zum Doktor muss. Oder um an einer Kulturveranstaltung teilzunehmen. Wie neulich, als sie im Theater war.
Davon
will sie erzählen. Ja, jetzt wird sie es ihr erzählen. Aber es scheint unmöglich, zu Wort zu kommen, denn Aslaug hat inzwischen die heutigen Familienfotos
Weitere Kostenlose Bücher