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Der Wald wirft schwarze Schatten

Der Wald wirft schwarze Schatten

Titel: Der Wald wirft schwarze Schatten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kari F. Braenne
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auf dem albernen kleinen Bildschirm und bricht in Begeisterungsrufe aus.
    «Nun guck dir den kleinen Felix an, ist er nicht goldig? Schau, wie fest er seinen Teddy drückt! Und da, das sind Unni und Endre. Ein sehr beschäftigter Mann, der Endre. Aber er ist trotzdem gekommen. Die Familie geht eben vor, nicht wahr.»
    Evelyn seufzt, und plötzlich wird Aslaug auf sie aufmerksam. Sie legt die Kamera weg, tätschelt ihr den Arm.
    «Was sitze ich denn hier und rede. Wie fühlst du dich? Du Ärmste, hast den lieben langen Tag hier allein gehockt. Und die ganze Zeit gewartet.»
    «Ich hatte es sehr schön.»
    Aslaug steht auf.
    «Willst du schon los?», fragt Evelyn.
    «Ich muss nur kurz ins Bad.»
    «Nein, nicht ins Bad, das ist nicht …»
    Aber ehe sie noch mehr sagen kann, ist Aslaug schon aufgestanden. Evelyn folgt ihr auf den Fersen.
    «Von hier kommt der Geruch also!», ruft Aslaug. «Was liegt denn da auf dem Fußboden?»
    «Das ist … du siehst doch wohl selbst, was das ist …»
    «Willst du ihn da einfach liegenlassen?»
    «Ich kann ihn im Moment nicht aufheben. Der Greifstock ist weg.»
    «Evelyn, du Ärmste. Und das ausgerechnet heute!»
    «Das macht nichts. Es geht schon.»
    Aslaug steigt mit einem großen Schritt über die Pfütze, dann lässt sie sich auf die Klobrille plumpsen. Evelyn macht die Tür hinter ihr zu. Was Aslaug jedoch nicht daran hindert, das Gespräch fortzusetzen.
    «So kann es nicht weitergehen, Evelyn! Du brauchst eine Haushaltshilfe.»
    «Ich will keine Haushaltshilfe, das habe ich doch gesagt!»
    «Du ahnst nicht, wie nett die sind, die jungen Damen. Manchmal kommt auch ein Mann.»
    «Ein Mann?»
    «Er ist ganz schwarz. Und hübsch ist der, ich kann dir sagen!»
    «Ein Neger? Zu dir kommt ein Neger nach Hause?»
    «Er kann bestimmt auch zu dir kommen!»
    «Ja, das glaub aber mal! Wenn du dir einbildest, ich würde irgendeinen Neger hier haben wollen …»
    «Aber du hast doch niemanden. Keinen, der nach dir sieht!»
    «Wilhelm kommt! Er ist unterwegs!»
    «Soll er vielleicht hierbleiben und sich um dich kümmern? Er hat doch sein eigenes Leben in Amerika! Bist du übrigens wirklich sicher, dass er kommt?»
    Evelyn marschiert in die Stube, die Tränen stehen ihr in den Augen. Sie ballt die Fäuste. Ah, sie hätte sie schlagen können, richtig verprügeln. Aslaug kommt zurück, lässt sich aufs Sofa fallen.
    «Wilhelm kommt», sagt Evelyn mit zitternder Stimme. «Was glaubst du denn. Und mein Enkel auch.»
    «Dein Enkel?»
    «Wilhelms Sohn. Deshalb habe ich für drei gedeckt.»
    «Aha?», sagt Aslaug, als würde sie kein Wort glauben.
    So, jetzt soll sie mal hören. Jetzt soll sie mal sehen. Evelyn holt das Programmheft von der Theatervorstellung, hält es ihr vor die Nase. Sein Gesicht, als Hamlet, nimmt die ganze Vorderseite ein.
    «
Er
», sagt Evelyn.
    «Wer, er?»
    «Mein Enkelsohn. Siehst du die Ähnlichkeit nicht?»
    «Ähnlichkeit mit dir?», fragt Aslaug. Sie begreift anscheinend überhaupt nichts. Aber sie ist ja auch nicht gerade die hellste Birne im Lampenladen.
    «Mit Wilhelm! Er ist seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten.»
    «Ist er denn nicht Amerikaner? Dein Enkelsohn ist doch Amerikaner?»
    «Er
war
Amerikaner. Aber jetzt ist er Schwede. Die Leute ziehen von einem Ende der Welt zum anderen. Das machen die heutzutage so!»
    Aslaug legt das Programmheft auf den Kaffeetisch und sieht sie mitfühlend an.
    «Evelyn. Wie kann er mit dir blutsverwandt sein? Er heißt doch ganz anders.»
    «Er hat seinen Namen geändert», erwidert Evelyn grimmig.
    «Aha», sagt Aslaug.
    Evelyn merkt, dass sie Tränen in den Augen hat. «Außerdem habe ich ihn im Fernsehen gesehen», sagt sie und betont jedes Wort.
    «Im Fernsehen?»
    «In einer Serie vom Krieg! Da habe ich ihn zuerst gesehen. Es war genauso, als würde ich … als wäre er …»
    Sie gerät ins Stottern. Unmöglich, es zu erklären. Sie hat keine Beweise, kein einziges Foto, von dem sie mit Sicherheit weiß, dass darauf Robin zu sehen ist. Sie klammert sich nur an eine törichte Hoffnung! Wilhelm hat ja nie Fotos geschickt, und sie selbst hat ihren Enkel ein Jahr bevor sie wegzogen zuletzt gesehen. Damals war er erst zwei. Nein, nicht drüber reden. Wie groß die Entfernung war, wie schrecklich isoliert sie die ganze Zeit von Wilhelm und seiner kleinen Familie gewesen ist. Wie unerfreulich die wenigen Treffen waren, bevor sie wegzogen. Das letzte Mal war dieses katastrophale Sonntagsessen hier bei ihr. Sie

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