Der Waldläufer
würde.
»Wirf diese Bündel durchs Fenster! Juan soll sie in Empfang nehmen.«
»Welche?« fragte der Matrose mit rohem Lachen, indem er auf den Körper der Gräfin zeigte.
»Diese da«, sagte Antonio.
»Mit Eurer Erlaubnis, Kapitän«, sagte John, indem er einen kleinen silbernen Brasero, der am Fuß der Lampe stand, einsteckte.
»Gut, mein Junge; aber vor allen Dingen beeile dich!«
Niemals wurde ein Befehl pünktlicher ausgeführt, denn in einem Augenblick verschwanden tausend kleine Gegenstände der Damentoilette in den Taschen seiner Jacke, während die von Antonio gemachten Bündel zu seinem Gefährten hinabwanderten, der folgende Worte zu ihm hinaufrief: »John, wir teilen beide!«
»Schnell nun«, sagte Don Antonio. »Hier ist das Schwerste noch wegzutragen; fühlst du dich stark genug dazu?«
»Wie denn? Das ist ja zum Lachen, Kapitän!« Und er hob die Gräfin auf, als ob es der Körper eines Kindes gewesen wäre, nahm sie unter den Arm und ging zum Balkon. »He, Juan«, rief er, »zieh die Strickleiter straff; ich bringe dir Beute!« Und er verschwand langsam unter dem Balkon.
Don Antonio folgte ihm, nahm den Knaben mit sich, der vor Schreck stumm war, und verließ seinerseits das Zimmer.
Einige Minuten später warf die Lampe noch einmal einen lebhaften Schein auf die verstreuten Kleidungsstücke, auf die leere Wiege, auf die geöffneten Schränke – und erlosch. Dann trug inmitten des fernen Grollens des Ozeans gegen seine riesenhaften Eindämmungen ein pfeifender Windstoß einen Ton herbei, der wie ein Schluchzen, wie der letzte Schrei von Verzweiflung und Angst klang. Pepe der Schläfer, der es hörte, glaubte, es sei nur das klagende, traurige Rauschen des Windes in den Felsabhängen.
Beenden wir diese traurige Erzählung. Die unglückliche, immer noch leblose Mutter wurde durch ihren Räuber in einen Nachen gelegt, der ihn hergeführt hatte. Bei seinem unversöhnlichen Ehrgeiz hatte Don Antonio Doña Luisas Urteil gesprochen; ein Vorwurf seines Gewissens hielt ihn allein ab, auch den jungen Fabian zu ermorden, den er jedoch der Willkür des Meeres in dem Nachen überließ, in dem einer seiner Matrosen die Gräfin erdolchte. Don Antonio hoffte wahrscheinlich, daß Hunger, Kälte und Sturm die Sorge auf sich nehmen würden, den Sohn seines Bruders verschwinden zu lassen.
Was Mediana und seine beiden Mitschuldigen betrifft, so hatten sie sich schwimmend ins Meer geworfen und an Bord durch die Erfindung eines erlittenen Unfalls das Verlassen des Nachens erklärt, in dem sich nur noch eine tote Frau und ein armes Kind, das die Kälte einer Winternacht wahrscheinlich töten mußte, befanden.
Don Antonio kam in die Wohnung seiner Väter zurück; man kennt sein Leben bis zu dem Abend, an dem Cuchillo in seiner Gegenwart beinahe den jungen Mann erdolcht hätte, den Gott auf seinen Weg geführt hatte. Wir haben auch gesehen, was dem neuen Mordversuch vorangegangen war, dessen Opfer Tiburcio in dem dicht bei der Hacienda liegenden Wald fast geworden wäre.
25 Die Brücke über den Waldstrom
Während Cuchillo mitten im Dickicht, in dem er zusammengekauert lag, auf den günstigen Augenblick lauerte, um seine Büchse auf den Feind, dessen Blut ihm der Señor aus Spanien bezahlte, abzudrücken, verfolgte dieser letztere unempfindlich und tätig – wie der Ehrgeizige ist, der den Wert der Zeit kennt, ohne sich mit dem Drama im voraus zu beschäftigen, das fast unter seinen Augen zu Ende gespielt werden sollte und dessen Entwicklung er als gewiß ansah – unabänderlich die Ausführung seiner Pläne.
Das Wenige, was Cuchillo ihm über Diaz gesagt hatte – sein zurückhaltendes Betragen bei der Zusammenkunft mit den beiden anderen abenteuernden Gefährten des Banditen –, war für Don Estévan, der den Menschen schnell zu beurteilen verstand, genug gewesen, um sich über ihn eine ziemlich günstige Meinung zu bilden. Einige Worte, die Diaz entfielen; Worte, die von einem ehrlichen Herzen – wenn auch mit einem etwas leichtfertigen Gewissen – Zeugnis ablegten, hatten diese gute Meinung im Innern des Spaniers bestätigt.
Arechiza oder – wenn man lieber will – der Herzog von Armada verheimlichte es sich nicht, daß die Abenteurer, die ihn im Verlauf seiner Expedition umgeben sollten, einem großen Teil nach von derselben Moralität wie Cuchillo und seine beiden Freunde sein würden. Für ihn war also ein beinahe rechtlicher Mann ein kostbarer Fund; was seinen entschlossenen Mut betraf, so
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