Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
Vom Netzwerk:
allein abgesehen hat. Da ich übrigens Euch nicht sogleich erkannt habe, so ist es möglich, daß er Euch ebensowenig erkannt hat.«
    »Wer? Von wem sprecht Ihr?« fragte Fabian lebhaft. »Vom Mörder Eurer Mutter; von dem, der Euch Eure Titel, Eure Würden, Eure Reichtümer und Euren Namen gestohlen hat.«
    »Ich bin also edel geboren und reich?« fragte Fabian, dessen erster Gedanke sich auf Doña Rosarita richtete, gleichsam, um ihr mit einem Adel und einem Reichtum, die er nur deshalb schätzte, weil er sie ihr anbieten konnte, seine Huldigung darzubringen. »Ach, warum habe ich es nicht früher gewußt – nur gestern schon!« Fabian dachte erst nachher an seine Mutter.
    »Edel geboren? Ihr seid es noch!« erwiderte Pepe, indem er den Lauf seiner Büchse mit seiner Hand umschloß und sie rasch an die Schulter brachte, denn er glaubte die Goldtresse eines Hutes unter den Bäumen am Weg funkeln zu sehen. Es war aber nur ein Sonnenstrahl, und der Jäger legte seine Waffe wieder aufs Knie. »Man hat Euch das Blut nicht nehmen können, das in Euren Adern fließt; aber reich seid Ihr nicht mehr!«
    »Was liegt mir daran!« antwortete Fabian traurig. »Heute wäre es zu spät.«
    »Oh, es liegt viel daran. Ich kenne zwei Männer, die das, was Ihr verloren habt, Euch wieder verschaffen oder bei dem Versuch ihr Leben verlieren werden.«
    »Und meine Mutter?« fuhr Fabian fort.
    »Ach, die Erinnerung an Eure Mutter und an Euch, Don Fabian, hat sehr oft einen Mann im Schlaf beunruhigt, von dem ich zu Euch rede. Sehr oft hat er mitten in der Stille der Nächte, mitten in den Wäldern den Angstschrei wiederzuerkennen geglaubt, den er eines Abends hörte und den er für das Murmeln der Brise an den Felsen abhängen hielt ... Es war der Todesschrei Eurer unglücklichen Mutter!«
    »Welchen Mann meint Ihr denn?« fragte Fabian.
    »Einen Mann, der – freilich, ohne es zu wissen – dem Mörder Eurer Mutter behilflich gewesen ist. Ach, Don Fabian«, fuhr der Jäger lebhaft fort, gleichsam, um eine Gebärde des Abscheus von seiten des jungen Grafen von Mediana zu beantworten, »flucht ihm nicht; sein Gewissen hat mehr gesagt, als Ihr ihm würdet sagen können; und heute ist er bereit, jeden Blutstropfen für Euch zu vergießen.«
    Die stürmischen Leidenschaften, die sich erst vor einigen Stunden im Herzen Fabians beruhigt hatten, erwachten wiederum wie jene hoch aufflammenden Gluten, die zuweilen eine scheinbar schon erloschene Brandstätte emporsteigen läßt. Er hatte schon den Tod Arellanos' zu rächen, seinen Mörder zu verfolgen, ihn vor allen Dingen kennenzulernen, und jetzt erfuhr er plötzlich, daß auch das Blut seiner Mutter – derjenigen, die ihn unter ihrem Herzen getragen hatte – noch um Rache schrie. Das süße Antlitz Rosaritas verschwand inmitten der blutigen Bilder, die sein heißes Blut vor ihm erstehen ließ, wie vor den roten Streiflichtern eines Brandes in der Nacht die rosigen Farben der Morgenröte, die das Auge mit Vergnügen am fernen Horizont im Frühnebel sich abzeichnen sah, erbleichen und sich verwischen.
    »Und der Mörder meiner Mutter – kennt Ihr ihn?« fragte Fabian mit funkelndem Auge.
    »Ihr kennt ihn auch; Ihr habt mit ihm am selben Tisch beim Hacendero gegessen, dessen Haus Ihr eben verlassen habt.« –
    Doch wir wollen Pepe Fabian die traurige Geschichte erzählen lassen, die der Leser schon kennt, und wenden uns wieder zu dem kanadischen Jäger.
    Bois-Rosé war ganz mit der Gefahr beschäftigt, die das Kind laufen konnte, das ein zweites Wunder ihm wiedergegeben hatte, und er lief darum rasch vorwärts; aber vergeblich senkte sich sein Auge in die verriegelten Öffnungen dieses unentwirrbaren Labyrinths von dicht nebeneinanderstehenden Stämmen, verwirrten Lianen und buschigen Zweigen – kein Feind ließ sich erblicken. Vergebens lauschte er angestrengt, um jedes Geräusch zu vernehmen, das sich in den Wäldern nur hören läßt; außer dem, von dem wir schon gesprochen haben, ließ sich nichts weiter hören als das Knacken der Zweige, die er auf seinem Marsch niedergetreten hatte und die sich hinter ihm wieder aufrichteten. Er ging noch einige Minuten lang weiter, dann warf er sich auf die Erde, drückte sein Ohr auf den Boden und schloß die Augen, um besser alle Kraft seiner Sinne zusammennehmen zu können. Nach einigen Sekunden hörte er ein dumpfes Geräusch, wie wenn ein Pferd nach der entgegengesetzten Richtung hingaloppierte.
    »Pepe hat sich nicht getäuscht«, murmelte er

Weitere Kostenlose Bücher