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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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der Bewachung des Pferdes überlassen, das der frühere Grenzjäger eingefangen hatte und das, erschreckt durch den Knall der Feuerwaffe, seine Anstrengungen verdoppelte, um – selbst mit Gefahr, sich zu erdrosseln – den Lasso, mit dem es angebunden war, zu zerreißen.
    Indessen fielen die ersten Strahlen des Tages in die lichtvollen Öffnungen zwischen den einzelnen Bäumen; der Glanz des Feuers verschwand nach und nach vor dem der Sonne, der die Gegenstände allmählich deutlicher erkennen ließ. Die Natur erwachte in der ganzen Pracht der Wälder in den Tropengegenden. Der Huaco, der auf den weißblumigen Lianen saß, ließ die beiden Silben hören, die ihm den Namen gegeben haben und bei deren Klang die Schlangen sich zitternd verbergen; der Choyero schwebte an den Wipfeln der Bäume hin und her und belauerte die im Dickicht schlafenden Reptilien. Der Morgenwind trug von der Ebene her das ferne Wiehern der Pferde, das dumpfe Gebrüll der Stiere, die die aufgehende Sonne begrüßten, deren Strahlen bald in den Wald hineindrangen. Die Winden mit weißen und roten glockenförmigen Blüten, die Blätter von der verschiedenartigsten grünen Färbung funkelten unter dem Tau, mit dem die Nacht sie bedeckt hatte; die rauhen Baumstämme vergoldeten sich mit strahlendem Licht und zeigten hier und da in einem verborgenen Winkel ihrer Zweige leere Häute, die von Schlangen abgestreift worden waren. Die gleiche Sonne enthüllte auf einmal die Schrecken und die Pracht der wilden Natur.
    »Hier wollen wir haltmachen«, sagte Pepe zu Tiburcio – den wir von nun an Fabian nennen werden –, als sie nach einem raschen Lauf ein ziemlich dichtes Gebüsch erreicht hatten, in dem sie sich verbergen konnten, ohne doch selbst den schmalen Fußpfad, der nach der Brücke über den Salto de Agua führte, aus den Augen zu verlieren; »ich bin sicher, daß der Schelm, der so schlecht zielt, sogleich hier durchkommen wird, und ich hoffe, ihm bemerklich zu machen, daß, seitdem ich den Dienst des Königs von Spanien verlassen und bei dem Kanadier in der Schule gewesen bin, ich einige Fortschritte in der Handhabung der Büchse gemacht habe.«
    Fabian und Pepe machten hinter einem kleinen Sumachgebüsch halt. Der junge Graf, dessen Geist noch von den Aufschlüssen, die er vernommen hatte, in Aufregung war, wurde nicht böse über die augenblickliche Ruhe; er hoffte nämlich, der gewesene Grenzjäger werde sie benützen, um seine verwirrt gegebenen Aufschlüsse zu vervollständigen, da er ja doch behauptete, einem Ereignis nicht fremd geblieben zu sein, von dem Fabian bis jetzt nur einen dunklen Begriff hatte.
    Aber der spanische Jäger schwieg. Der Anblick desjenigen, der durch sein Zutun verwaist und seiner Güter und seines Namens beraubt worden war, weckte Gewissensbisse auf, die zwanzig Jahre nicht hatten töten können. Pepe betrachtete beim Licht des anbrechenden Tages schweigend das Kind, das er einst an den sandigen Küsten Elanchoves hatte spielen sehen. Der Stolz, der rücksichtslose Blick seiner Mutter lebte in den Augen des Sohnes; seine Haltung, sein ausdrucksvolles, männliches Gesicht erinnerten an seinen Vater Don Juan de Mediana; aber eine rauhe, an Anstrengungen reiche Jugendzeit hatte einen Mann aus Fabian gemacht, der körperlich viel kräftiger war als derjenige, von dem er das Leben empfangen hatte.
    Pepe entschloß sich endlich, das Schweigen, das bittere Erinnerungen ihn bewahren ließen, zu brechen. »Blickt immer so wie ich scharf auf den Fußpfad, der sich unter diesen Bäumen verliert«, sagte er, »und wendet den Kopf nicht ab. Bois-Rosé und ich, wir sprechen immer so miteinander in gefährlichen Augenblicken; hört aufmerksam auf meine Worte!«
    »Ich höre«, antwortete Fabian, indem er den Anordnungen Pepes Folge leistete.
    »Habt Ihr aus Eurer Kindheit nicht noch genauere Erinnerungen als diejenigen, die Ihr dem Kanadier mitgeteilt habt?« begann der alte Grenzjäger.
    »Ich habe vergeblich mein Gedächtnis befragt, seit ich wußte, daß Marcos Arellanos nicht mein Vater war; und obgleich dies schon lange her ist, so erinnerte ich mich doch nicht einmal dessen, der meine erste Kindheit gepflegt hat.«
    »Und der weiß nicht mehr als Ihr«, fuhr Pepe fort. »Ich kann Euch sagen, was Ihr nicht wißt.«
    »So sprecht doch, um Gottes willen!« rief Fabian. »Still! Nicht so laut! Diese Wälder, so einsam sie auch sind, umschließen doch ohne Zweifel die Feinde Eures Geschlechts; es sei denn, daß man es auf mich

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