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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Mantelresten, mit denen er sich umhüllte, konnte man leicht den Gambusino Oroche wiedererkennen. Seine Zeit schien durch die Betrachtung eines von Sternen funkelnden Himmels und durch die Unterhaltung eines am Fuß des Hügels brennenden und mit grünen Zweigen genährten Feuers in Anspruch genommen zu sein, von dem sich der Rauch in einer perpendikularen Säule erhob, die im Mondschein silbern glänzte.
    Jenseits der Befestigung bleichten ebenfalls die Strahlen des Mondes die Ebene, wo die Kakteen und die Napals indianische Feigen große Schatten warfen. Er ließ im Regenbogenglanz den Nebel erscheinen, der westlich vom Berg die Spitzen einer Bergkette am Horizont bedeckte. Endlich beleuchtete er auch hinter den Wagen die Schildwachen, die, die Büchse im Arm, mit spähenden Augen auf und ab gingen.
    Unter den Männergruppen, die sich sehr nahe den Wagen gelagert hatten, finden wir Benito, den Diener Don Estévans, Baraja und Pedro Diaz wieder. Alle drei unterhielten sich leise.
    »Don Benito«, fragte Baraja den alten Diener, »Ihr seid so geschickt, jedes Geräusch in der Steppe oder im Wald zu erklären; könntet Ihr uns wohl sagen, was die Flintenschüsse bedeuten, die wir den ganzen Nachmittag gehört haben?«
    »Ich kenne die Sitten der Indianer nur wenig, indes ...«
    »Laßt hören!« sagte Baraja. »Nur nichts Schreckenerregendes so absichtlich verschweigen, wie Ihr es in jener berüchtigten Nacht mit den Jaguaren so gut verstanden habt.«
    »Indes«, fuhr der Diener fort, »bin ich in meiner Jugend ihr Gefangener gewesen, und wenn sie nicht etwa bei irgendeinem unglücklichen Gefangenen die Marter anwenden, die ich erduldet habe, so ahne ich nicht, was die Ursache dieses Gewehrfeuers, das wir gehört haben, sein könnte.«
    »Glaubt Ihr denn, daß sie irgend jemand in diesen Steppen gefangengenommen haben?«
    »Warum nicht?« antwortete der alte Hirt auf diese neue Frage Barajas. »Seit zwei Tagen ist unser Freund Cuchillo nicht zurückgekommen, und ich fürchte fast, daß diese Dämonen auf seine Kosten ihre Belustigungen vornehmen. Wenn es dieselbe Behandlung ist, die ich erduldet habe, so wolle Gott seine Seele annehmen!
    » Aber von welcher Behandlung sprecht Ihr denn? Diese Marter muß doch nicht so schrecklich sein, da Ihr mit dem Leben davongekommen seid.«
    »Glaubt Ihr? Gut; ich erkläre Euch, daß das Skalpieren, das Zerreißen des Körpers in Stücke, das Braten bei langsamem Feuer – daß alle Qualen, die sie erfinden, mit einem Wort nichts sind im Vergleich damit.«
    »Demonio!« erwiderte Baraja. »Ich denke doch, daß die Indianer nur in der Aufregung ein Vergnügen daran finden, jemand so zu martern?«
    »Das tun sie, wenn sie bei guter Laune sind; denn es ist sehr selten, daß sie nicht zufrieden wären, wenn sie einige Gefangene gemacht haben. Also – sollte das Unglück es wollen, daß Ihr in ihre Hände fielet, Freund Baraja, so bittet Gott, daß die Apachen an diesem Tag bei lustiger Laune sind, und Ihr werdet eine grausame Todesstrafe erdulden, aber doch wenigstens eine sehr kurze.«
    »Fünf oder sechs Minuten, meine ich?«
    »Fünf oder sechs Stunden – zuweilen auch länger –, aber ...«
    Benito wurde durch die Ankunft Oroches unterbrochen.
    »Senor Diaz«, sagte der letztere, »Don Estévan hält es für nötig, einen Augenblick mit Euch zu sprechen, und bittet Euch, zu ihm ins Zelt zu kommen.«
    Diaz erhob sich, folgte Oroche und ließ Baraja und Benito in ihrer Unterhaltung fortfahren.
    »Ich habe die besorgte Miene Don Estévans bemerkt«, sagte Benito. »Obgleich er niemals recht fröhlich gewesen ist seit der Abreise von der Hacienda – und besonders seit dem Augenblick, wo dieser junge Mann durch sein Pferd mit in den Waldstrom hinabgerissen wurde –, so ist er mir doch heute düsterer als gewöhnlich vorgekommen.« Baraja empfand bei dieser Gelegenheit einige Gewissensbisse, denn wenn man sich noch erinnert, was Pepe der Schläfer dem Kanadier erzählte, so war der Abenteurer einer von denen gewesen, die ihrerseits Feuer auf den Spanier und Fabian gegeben hatten. Er ließ also die Unterhaltung fallen, um sie an dem Punkt wiederaufzunehmen, wo sie unterbrochen war. Ihr sagtet also«, wiederholte er, »daß eine solche Marter fünf oder sechs Stunden dauere, zuweilen länger, aber ...«
    »Aber niemals kürzer. Ihr werdet übrigens nach meiner Erzählung urteilen, daß eine sechsstündige Marter zuweilen besser ist als eine vierundzwanzigstündige, denn unter allen

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