Der Waldläufer
Don Estévan hatte diese Taktik aus den Vereinigten Staaten mitgebracht, wo die Bewohner dazu bestimmt zu sein scheinen, die Steppen des amerikanischen Festlands zu durchziehen, um sie zu bevölkern. Auch war unter der geschickten und kräftigen Leitung eines solchen Führers diese letzte Expedition weiter in die Steppe vorgedrungen als irgendeine vorher unternommene.
Die Verantwortlichkeit, die auf Don Estévan ruhte, den wir eben mit nachdenklicher Miene in das für ihn errichtete Zelt haben treten sehen, hätte allein schon hingereicht, seine Stirn mit Wolken zu bedecken; aber vielleicht dachte Don Estévan mehr an die Vergangenheit als an Gegenwart und Zukunft. Der Spanier hatte die Energie Fabians mit der Kleinmütigkeit des Senators Tragaduros vergleichen können; fortgerissen vom Lauf der Ereignisse, hatte er immer nur daran gedacht, seinen Neffen von seinem Weg fernzuhalten. Als er in dem Strudel verschwunden war, nachdem er eine schmähliche Drohung gegen den Bruder seines Vaters ausgestoßen hatte, hatte dieser plötzlich eine unermeßliche Leere in sich gefühlt.
Eine schlecht geheilte Wunde seines Herzens war wieder aufgebrochen. Er stand auf dem Gipfel weltlicher Größe, und doch fehlte ihm etwas. Was er auch getan hatte, um es sich zu verheimlichen – der Stolz des Geschlechts lebte in ihm wieder auf. Als sein Neffe tot war, hatte sich seiner ein lebhaftes Mitgefühl für den jungen Mann bemächtigt, der in seiner Glut und Unzähmbarkeit, geliebt von Doña Rosarita, vielleicht den Senator in der Ausführung seines kühnen Plans ersetzen konnte. Er bedauerte es, sich von den Ereignissen beherrschen zu lassen haben, und in dem Augenblick, als der letzte Mediana nach ihm vor seinen Augen verschwunden war, bedauerte sein Stolz den Erben seines Namens, den er so würdig gefunden hatte, ihn zu tragen. Nach ihm sollte niemand sein Andenken mit in die Zukunft nehmen. An dem Tag vor der Eroberung des Val d'Or, in dessen nächster Nähe er sich wußte und wodurch er eine Sprosse höher stieg, machte sich dieses Bedauern noch lebhafter geltend. So vermag der Ehrgeiz im Herzen nur eine weite Leere hervorzubringen, um eine andere auszufüllen.
Indes war dies nicht die einzige Sorge, die Antonio de Mediana beschäftigte. Die Abwesenheit Cuchillos war ebenfalls ein Gegenstand der Unruhe für ihn. Ein treuloser Gedanke, den er dem Scharfblick Don Antonios verheimlicht hatte, den aber dieser zu ahnen begann und der ihn ebenfalls nachdenklich machte, hatte den Banditen aus dem Lager geführt.
Cuchillo hatte einen beträchtlichen Vorsprung vor den Indianern gehabt. Solange er gesehen hatte, daß er weit vom Lager Don Antonios de Mediana entfernt war, hatte er alle Kräfte seines Pferdes in Anspruch genommen; aber sobald er durch die Kaktushecke und die Eisenholzgebüsche die Verschanzung seiner Gefährten erblickte, mäßigte er seinen Ritt, um nicht die Verfolgung, deren Gegenstand er war, zu entmutigen.
Die Entfernung vom Lager war noch groß genug, daß er von keiner Schildwache, die ringsumher aufgestellt waren, bemerkt werden konnte. Als er die Indianer, die ihm nachjagten, beim Anblick der Rauchsäule – eines sicheren Zeichens für die Gegenwart weißer Krieger ebenfalls ihre Pferde zurückhalten sah, hielt er ganz an. Es lag in seinem Plan, so spät wie möglich zu den Seinen zurückzukehren, um erst im letzten Augenblick Lärm zu machen. Er kannte die indianischen Bräuche hinreichend, um kaltblütig ein so gefährliches Spiel zu wagen. Er wußte, daß sie fast niemals angreifen, außer wenn sie an Zahl überlegen sind; daß, ehe sie sich zu einem Sturm des Lagers entschieden hätten, noch einige Stunden vergehen würden, und daß endlich die Indianer, die ihn verfolgten – zufrieden damit, die Spur ihrer Feinde wiedergefunden zu haben –, umkehren würden, um diese Nachricht ihren Gefährten zu überbringen.
Er hatte sich nicht getäuscht. Die roten Männer nahmen bald ihren Weg nach dem Dickicht zurück, in dem ihre Truppe lagerte.
Ganz bezaubert von dem Erfolg seiner List, legte sich der Bandit, nachdem er die Feinde hatte verschwinden sehen, hinter einer Erhöhung nieder und lauschte aufmerksam, stets bereit, seine Flucht fortzusetzen, sobald seine geübten Sinne ihm die Rückkehr der Gefahr anzeigen würden. Wenn er sein Lager nur wenige Minuten vor dem Kampf wieder erreichte, so hoffte er auch mitten in der Aufregung, die dem Kampf vorangehen mußte, den Fragen Don Antonios zu entgehen, dessen
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