Der Waldläufer
dem Schläfer entworfen hatte.
Der jüngste unter den zehn Häuptlingen, der aufgefordert wurde, zuerst seine Meinung auszusprechen, zog langsam den Rauch aus seiner langen Pfeife und sagte: »Die Weißen haben bald die Füße des Hirsches, bald den Mut des Pumas oder die List des Schakals. Sie haben ihre Spuren seit zwei Tagen vor Augen zu verbergen gewußt, die die des Adlers in der Luft ausfindig machen könnten; es ist abermals eine List ihrerseits, ihre Krieger auf der weiten Steppe zu zerstreuen; nach der Insel des Flusses Gila hin also muß man sie suchen. Ich habe gesprochen.«
Nach einem kurzen Schweigen nahm ein anderer Häuptling das Wort: »Die Weißen verfügen offenbar über tausend Kriegslisten; aber haben sie auch die, ihren Wuchs größer zu machen? Nein. Wenn sie im Gegenteil sich so klein machen könnten, daß die Augen des Indianers sie nicht sähen, so würden sie es tun. Unsere Feinde kommen aus dem Süden; diejenigen, die man eben gefunden hat, kommen aus dem Norden; wir dürfen also nicht zur Insel hin aufbrechen.«
Als diese beiden entgegengesetzten Ansichten ausgesprochen waren, brach plötzlich das Geheul der Indianer los beim Anblick Cuchillos. Die Apachenhäuptlinge hoben ihre Beratung bis zu dem Augenblick auf, wo die Krieger, die ihn verfolgt hatten, mit der Nachricht zurückkamen, daß sie die Spur zum Lager der Weißen wiedergefunden hätten.
Darauf nahm der zweite Häuptling, der gesprochen hatte, wieder das Wort; er war ein Mann von hohem Wuchs und einer viel dunkleren Gesichtsfarbe als die meisten seiner Gefährten, weshalb man ihm auch den Namen der »Schwarze Falke« gegeben hatte. »Ich habe gesagt, daß die Männer, die aus dem Norden kommen, nicht zu denen aus dem Süden gehören. Ich habe immer gesehen, daß der Norden und der Süden einander feindlich sind wie der Wind, der aus jeder der beiden Richtungen weht. Laßt uns einen Boten zu den drei Kriegern auf der Insel schicken, damit sie sich mit uns gegen die Krieger mit den Wagen verbinden, und der Indianer wird sich freuen über den Tod der Weißen durch die Weißen.«
Aber dieses Bündnis, das Klugheit und Menschenkenntnis geboten hatte, fand im Rat keine Unterstützung. Alleinstehend mit seiner Ansicht, mußte der Schwarze Falke sie fallenlassen, und es wurde beschlossen, daß der Haupttrupp gegen das Lager marschieren, während zugleich eine Abteilung zur Insel aufbrechen sollte.
Eine Viertelstunde später bewegten sich hundert Krieger in der Richtung nach dem Lager hin, während zwanzig andere erprobte Krieger sich zur Insel wandten, dürstend nach dem Blut der drei Männer, die sich augenblicklich noch in deren Schutz befanden.
28 Das Lager der Goldsucher
Wir verlassen auf einen Augenblick Fabian und seine beiden Gefährten auf dem Eiland, wo sie eine Zuflucht gesucht haben, um ein Wort über den Trupp der Abenteurer und über ihren Führer zu sagen.
Wir finden sie gegen das Ende ihres zehnten Tagemarsches wieder, nachdem vierzig der Ihrigen auf dem Weg den Indianern oder den Gefahren der Steppe zum Opfer gefallen waren. Obgleich aber diese Verminderung ihrer Anzahl sie geschwächt hatte, so war doch der Ausgang des Kampfes zwischen diesen Abenteurern und den Indianern, die stets bereit waren, den Einfall in ihr Gebiet zurückzuweisen, noch gar nicht vorauszusehen. Die Schlauheit beider Teile war gleich groß; dieselbe Gewohnheit, fast unsichtbaren Spuren zu folgen, fand sich auf beiden Seiten. Die Habgier der einen hielt der Wildheit der anderen das Gleichgewicht.
Nichtsdestoweniger war aber der Enthusiasmus nicht mehr so glühend als an dem Tag, wo sie unter freiem Himmel im Presidio von Tubac die Messe für den glücklichen Erfolg ihrer Expedition gehört hatten. Damals waren die Abenteurer mit triumphierendem Hurra aufgebrochen, unter dem Donner des Geschützes und unter dem Zuruf der Einwohner und der Garnison des Presidio.
Doch hatte Don Estévan, der die Gabe, alles vorauszusehen, empfangen zu haben schien, keine Vorsichtsmaßnahme unterlassen. Bis jetzt handelte auf solchen Expeditionen jeder Mann sozusagen für sich allein, indem er sich zu seiner Verteidigung nur auf seine Waffen und auf sein Pferd verließ. Der Spanier hatte diese Abenteurer diszipliniert und sie zum Gehorsam gegen ihn gezwungen; die Wagen, die er gekauft hatte, dienten als Transport- und Verteidigungsmittel. Geradeso marschierten einst die alten Völker des Nordens auf ihren räuberischen Einfällen in das mittägliche Europa.
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