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Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gabriel Ferry
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Scharfsinn er fürchtete.
    Wir würden morgen unser sechzig sein zur Teilung dieser Schätze, dachte er bei sich, wenn ich nicht dafür gesorgt hätte, daß beim Anbruch des Tages die Zahl um ein gutes Viertel vermindert sein wird. Dann, wenn diese roten und die weißen Dummköpfe miteinander kämpfen, werde ich ...
    Ein ferner Schall wie der einer abgeschossenen Büchse unterbrach plötzlich die Gedankenreihe Cuchillos. Dieser durch die Ferne gedämpfte Lärm schien aus nördlicher Richtung zu kommen. Wirklich kam er auch vom Fluß her, in dessen Mitte sich das Eiland befand, das Bois-Rosé und seine beiden Gefährten in Besitz genommen hatten.
    Es ist doch sonderbar, daß ein solcher Ton von da unten herkommt, dachte Cuchillo bei sich, indem er nach Norden blickte, denn das Lager der Weißen ist im Osten und das der roten Krieger im Westen!
    Ein zweiter Schuß ließ sich hören, dann, nach einem ziemlich langen Zwischenraum ein dritter, worauf endlich ein gut unterhaltenes Gewehrfeuer folgte. Einen Augenblick wurde Cuchillos Herz ganz kalt; er stellte sich vor, daß eine zweite zahlreiche Partie Weißer unabhängig von der Expedition, die er führte – sich der Schätze bemächtigen könnte, die der alleinige Gegenstand seiner Begierde waren. Dann fürchtete er auch, daß Don Antonio vielleicht eine Abteilung seiner eigenen Truppe vorausgesandt hatte, um das Val d'Or zu besetzen und sich darin zu befestigen. Aber ein kurzes Nachdenken zeigte ihm sehr bald die geringe Wahrscheinlichkeit seiner Befürchtungen. Eine Abteilung Weißer würde Spuren zurückgelassen haben, die er während der zwei Tage, an denen er die Ebene durchstreifte, hätte erblicken müssen; und außerdem war es nicht wahrscheinlich, daß Don Antonio es gewagt haben würde, seine Truppe durch Teilung zu schwächen. Cuchillo faßte darum wieder Mut, blieb hinter der Bodenerhöhung, die ihn und sein Pferd unsichtbar machte, und kam endlich zu dem Schluß, daß die Schüsse von einer Abteilung amerikanischer Jäger herrühren mußten, die die Grenze ihres Landes überschritten hätten und auf mexikanischem Gebiet mit den Apachen handgemein geworden wären. –
    Wir wollen Cuchillo seinem Nachdenken überlassen, um – wie versprochen – in das Lager Don Antonios zurückzukehren, und der Ordnung folgen, die wir aufgestellt haben, indem wir den Anblick der Steppe und die Stellung der verschiedenen Personen, die sie belebten, aus der Vogelperspektive beschreiben.
    Das Gewehrfeuer hatte sich den ganzen Nachmittag hindurch verlängert, und man hatte es im Lager gehört, wo es zu einer Menge von Vermutungen Veranlassung gegeben hatte. Der Abend war gekommen. Rote Wolken bezeichneten im Westen noch die Flammenspur der Sonne. Die Erde fing an, sich von der Frische der Nacht abzukühlen, und in dem Maße, als die letzten Streiflichter der untergehenden Sonne erbleichten, stieg der Mond immer glänzender empor, bis zu dem Augenblick, wo die Dämmerung verschwunden war und der helle Schein des Mondes plötzlich das Licht der Sonne ersetzte.
    Das Lager bot im Mondschein einen malerischen Anblick dar. Auf dem Hügel, der das ganze Lager beherrschte, erhob sich, wie wir schon erwähnt haben, das Zelt des Führers der Expedition mit seinem azurenen Banner und seinen goldenen Sternen gleich dem Himmel über ihm. Ein schwaches Licht schimmerte durch die Leinwand des Zeltes und bewies, daß der Führer für alle wachte. Einige Feuer, deren Herd sich in Vertiefungen befand oder mit Steinen umgeben war, um den Schein der Glut, deren Glanz die Lagerstelle hätte verraten können, zu verdecken, verbreiteten auf der ebenen Erde einen rötlichen Widerschein.
    Für den Fall eines nächtlichen Angriffs erhoben sich Haufen von Reisbündeln in gewissen Entfernungen, die sofort in Brand gesetzt werden konnten und Licht genug verbreiteten, um den Tag zu ersetzen. Von den Abenteurern lagen Gruppen auf dem Boden, andere waren mit der Bereitung des Abendessens beschäftigt; dazwischen standen Pferde und Lasttiere, die ihre Ration Mais aus leinen Krippen fraßen. Sorglosigkeit und Entschlossenheit las man im Mondlicht auf dem bronzenen Antlitz der Männer, was hinreichend bewies, daß sie sich in bezug auf die Sorge für ihre Verteidigung ganz auf die Wachsamkeit des Führers verließen, den sie gewählt hatten.
    Am Fuß des Zeltes lag sorglos ein Mann auf der Erde wie eine Dogge, die bei ihrem Herrn wacht. An den langen Haaren, an der Gitarre, die neben der Büchse lag, an den

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